18 April 2024

Heinrich Festing: Aldolph Kolping und sein Werk

Heinrich Festing: Aldolph Kolping und sein Werk, Herder Freiburg 1981

Aldolph Kolping            Kolpingwerk          Kolping international













Geprägt von den hohen Ansprüchen des Vaters und beeinflusst von der tiefen Gläubigkeit seiner Eltern, die wohl im Priesterdasein eine höhere Form von Christlichkeit sahen, stellt Kolping sehr hohe Ansprüche an sich und will Priester werden. 
Zeugnis seiner hohen Ansprüche ist sein Tagebucheintrag vom 4.11.1837:

  


















Vermutlich hat er auch in seinen beiden Krankheiten, von denen die erste das Ende der Arbeit als Schumacher, die zweite die Finanzierung seines Theologiestudiums brachte, eine göttliche Fügung gesehen, die ihn zu Höchstleistungen verpflichtete.

17 April 2024

Israel

 Informationen zur politischen Bildung Heft 336 (2018) mit Inhaltsverzeichnis

Eine Bewegung verschafft sic ihren Staat: der Zionismus (Michael Brenner)

1879 hatte der deutsche Journalist Wilhelm Marr den Begriff des Antisemitismus erfunden und damit dem nunmehr "rassisch" begründeten Judenhass einen pseudo-wissenschaftlichen Anstrich gegeben. [...] In Wien wurde mit Karl Lueger ein sich offen zum Antisemitismus bekennender Politiker zum Bürgermeister der Stadt gewählt. Selbst in Frankreich [...], als dem jüdischen Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus 1894 wegen angeblichen Hochverrats der Prozess gemacht wurde.

[...]  Die neuen antisemitischen Parteien, die am Ende des 19. Jahrhunderts in den deutschen Reichstag einzogen, fanden im alten Feindbild der Juden Erklärungen für neue Missstände. Angesehene Persönlichkeiten wie der Hofprediger Adolf Stoecker und der Historiker Heinrich von Treitschke schürten derlei antijüdische Vorurteile selbst am kaiserlichen Hof und an den Universitäten.

[...] in Osteuropa [...] waren die Juden niemals vollständig emanzipiert worden und litten zudem unter großer wirtschaftlicher Not. Nach dem Attentat auf den Zaren Alexander II. 1881, an dem auch eine Frau jüdischer Herkunft beteiligt gewesen war, führte eine gezielt antijüdische Kampagne zu gewaltsamen Pogromen. Viele Juden mussten um ihr Hab und Gut und oftmals auch um ihr Leben fürchten. Zwischen 1881 und 1914 wanderten daher über zwei Millionen Juden aus dem Zarenreich nach Nordamerika aus.

Eine kleine Gruppe der Auswanderungswilligen brach im gleichen Zeitraum ins Osmanische Reich auf, um sich in dem Gebiet, das sie Eretz Israel, das Land Israel, nannten, niederzulassen. Es gab damals weder Israel noch Palästina als politische Einheit, sondern lediglich verschiedene von Istanbul, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches, aus regierte Bezirke, den Sandschak von Jerusalem sowie den von Nablus und Akko. Inspiriert wurden die Auswanderungswilligen von einer Schrift des in Odessa lebenden Arztes Leon Pinsker (1821–1891), der 1882 unter dem Eindruck der Pogrome in einem kleinen auf Deutsch verfassten Büchlein mit dem Titel "Auto-Emanzipation" gefordert hatte, dass die Juden sich eben selbst emanzipieren müssten. Wenn dies im Zarenreich nicht möglich sei, bräuchten sie ein eigenes politisches Territorium, um sicher vor den Antisemiten zu sein. Zwar bildeten sich daraufhin einige Ortsvereine der sogenannten Zionsfreunde (Chovevei Zion), doch eine breite politische Bewegung konnte Pinsker ebenso wenig auf die Beine stellen wie vor ihm Moses Heß. [...]

Dieses Verdienst kommt unumstritten dem in Budapest aufgewachsenen und in Wien lebenden Journalisten Theodor Herzl (1860–1904) zu [...] Er wuchs in einem Elternhaus auf, das sich bewusst für einen Weg heraus aus dem traditionellen Judentum und hinein in die deutschsprachige Gesellschaft entschieden hatte. So war Herzl mit der hebräischen Sprache nicht vertraut und die jüdischen Gebete blieben ihm zeitlebens fremd. [...]

Herzl war sich wohl bewusst, dass die Juden auch in seiner Geburtsstadt Budapest und in seiner Wahlheimat Wien angefeindet wurden. Aber wenn selbst in Frankreich, wo sie seit über 100 Jahren gleichberechtigte Bürger waren, auf der Straße gegen sie gehetzt wurde, dann gab es nach seiner Ansicht keine Hoffnung mehr für die Juden, irgendwo in Europa frei von Ressentiments zu leben. [...]

Einen Schlüssel zur Lösung des Problems sah Herzl zunächst in einem Massenübertritt der Wiener Juden zum katholischen Glauben. Sehr bald erkannte er jedoch, dass sie damit zwar der traditionellen, religiös motivierten Judenfeindschaft ausweichen konnten, nicht aber dem neuen, "rassisch" begründeten Antisemitismus. Als Ausweg blieb nur die Auswanderung aus Europa. 1896 veröffentlichte Herzl eine kleine Broschüre mit dem programmatischen Titel "Der Judenstaat". Darin hielt er fest, dass sein Projekt eines Judenstaates unzweifelhaft aus der Zurückweisung durch die europäische Umgebung geboren wurde: "Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche Patrioten. (…) Wenn man uns in Ruhe ließe. (…) Aber ich glaube, man wird uns nicht in Ruhe lassen." (Theodor Herzl, Der Judenstaat, Leipzig 1896, S. 11 f.)

Wo der neue Judenstaat liegen sollte, war ihm noch nicht klar: [...] 

Herzl stieß von Anfang an auf Widerstand in der jüdischen Gemeinschaft. [...] So verweigerten wohlhabende Juden, wie die Barone Rothschild und Hirsch in Paris, Herzl ebenso die Unterstützung wie die Rabbiner, um die er sich bemühte. [...] Herzl war aber auch innerhalb der jungen zionistischen Bewegung nicht unumstritten. Um den russischen Zionisten Achad Ha’am (hebr.: Einer aus dem Volk, eigentlich Ascher Ginsberg, 1856–1927) scharten sich jene Zionisten, deren Motiv zur Rückkehr nach Palästina nicht so sehr der Antisemitismus war wie die Angst um den Untergang des Judentums als Folge der zunehmenden Assimilation. Sie wollten ein geistiges und kulturelles jüdisches Zentrum schaffen, darin die hebräische Sprache als Alltagssprache wiederbeleben, und mit einer neuen, säkularen, jüdischen Kultur auch den in der Diaspora (Zerstreuung) verbleibenden Juden das Festhalten an ihrer jüdischen Identität ermöglichen. Als Herzl im Jahre 1902 seinen utopischen Roman "Altneuland" veröffentlichte, der die zukünftige jüdische Gesellschaft in Palästina wie ein idealisiertes Europa darstellte, wo man englische Internate, französische Opernhäuser und natürlich Wiener Kaffeehäuser hätte und wo europäische Sprachen gesprochen würden, reagierte Achad Ha’am mit scharfer Kritik. Was Herzl hier projiziere, sei doch nichts anderes als eine Assimilation der Juden auf kollektiver Ebene. Sie retteten zwar ihre physische Existenz in den Orient, doch sie lebten weiter, als ob sie in Europa wären. [...] In Herzls Vision hießen die einheimischen Araber die jüdischen Einwanderer willkommen, da diese die Errungenschaften der modernen Zivilisation Europas mit sich brachten und das Land aufbauten. Achad Ha’am dagegen prognostizierte den Konflikt der beiden Bevölkerungsgruppen. [...]

Vor Beginn der Einwanderungsbewegung, die Anfang der 1880er-Jahre aus Osteuropa einsetzte, lebten circa 25.000 Juden unter etwa einer halben Million zumeist muslimischer, aber zu einem kleinen Teil auch christlicher Araber in Palästina. Über Jahrhunderte war diese kleine jüdische Bevölkerung, der sogenannte Alte Jischuw, in Palästina ansässig gewesen und hatte sich auf die vier Städte Jerusalem, Hebron, Tiberias und Zefat (Safed) konzentriert. [Der alte Jischuv war überwiegend arabisch- und ladinosprachig, die neuen Einwanderer sprachen überwiegend Jiddisch und andere europäische Sprachen (PolnischRussischDeutsch u. a.); der alte Jischuv war sephardisch, der neue hingegen aschkenasisch geprägt.[4]" (Wikipedia)

sieh auch: Artikel in diesem Blog mit Bezug auf Israel

16 April 2024

Flora Thompson: Still glides the Stream

  Still glides the Stream (1948, posthum)

Aus der Sicht von Charity Finch, einer pensionierten Lehrerin wird das Leben in dem fiktiven Dorf Restharrow geschildert. Die Darstellung konzentriert sich auf zwei eng mit einander befreundete Familien, Charity und ihre Eltern und Charitys Onkel Reuben Truman mit seinen drei Töchtern Bess, Mercy und den Nachkömmling Polly. Bess, gutaussehend und energisch, hat nach dem Tod ihrer Mutter schon sehr früh die Haushaltsführung übernommen, "good, plain, sensible" Mercy, zurückhaltend, aber stets bereit auch harte Arbeiten zu übernehmen. Polly, die von Bess etwas verwöhnt wird, ist recht begabt und besonders musikalisch. Reubens Familie wohnt in einigen wenige Räumen des Gutshauses aus dem der Gutsbesitzer  ausgezogen ist, nachdem er sich einen zeitgemäßeren Wohnsitz in einem anderen Dorf geschaffen hat. In demselben Haus aber in getrenntem Haushalt wohnt die alleinerziehende Mrs. Pocock mit ihrer Tochter Stella. Charity bewundert Stella wegen ihrer Schönheit und Anmut, entfremdet sich dann aber von ihr, als sie feststellt, dass diese ziemlich egoistisch ist und vor Unwahrheiten nicht zurückschreckt, wenn sie damit die imponierende Bess herabsetzen kann.

Mrs. Pocock ist eine "bettermost person". "Der Bessergestellte, der immer eine Frau und nie ein Mann war, gehörte nicht, wie man annehmen könnte, zu den oberen Rängen der Gesellschaft. Diejenigen, die an der Spitze der sozialen Rangliste standen, wurden immer als 'gentry' (Adelige) bezeichnet, und nach ihnen folgten mehrere Stufen, die alle noch höher als die 'Bessergestellten' waren. Mit diesem Begriff wurde in dieser Gegend jeder bezeichnet, der sich auch nur geringfügig von der allgemeinen Armut abhob, vorausgesetzt, er zeigte durch seine Lebensweise, dass er sich seiner vermeintlichen Überlegenheit bewusst war. Die besser gestellte Person stand nicht auf ihrer Türschwelle, um zu tratschen; sie lud  andere ihrer Art zum Tee ein, hinter gestärkten weißen Spitzenvorhängen. Wenn sie einkaufen ging, nahm sie mit Selbstverständlichkeit den Vordersitz neben dem Fahrer des Wagens als ihr Recht ein und wandte der klatschenden Menge auf den hinteren Plätzen den Rücken zu, wenn auch nicht immer ein taubes Ohr." ["The bettermost person, who was always a woman, never a man, was not, as might be supposes, one belonging to the upper ranks of society. Thosese at the top of the social tree were allways speaken of as 'gentry' and after them, came several grades higher than the bettermost. That term in that locality, was used to describe anyone in ever so slight a degree removed from the general level of poverty, provided thst she herself showed by her manner of living that she was conscious of her own supposed superiority. The bettermost person did not stand upon her doorstep to gossip; she invited another of her own kind to tea behind starches white lace curtains. When she wnt shopping, she took as her right the front seat beside the driver in the carrier's cart and turned her back, if not always a deaf ear, on the gossiping crowd in the back seats."] (S.67/68)

Diese Passage zeigt sehr deutlich, was mir Flora Thompsons so sympathisch macht. Unter Landarbeiterskindern aufgewachsen teilt sie die Werthaltungen dieses Milieus, auch wenn sie aufgrund ihrer schriftstellerischen Begabung und ihrem hohen Interesse an genauer Beobachtung und Beschreibung nie wirklich ganz dazu gehört hat. Sie will nichts 'Besseres' sein, auch wenn sie die Beschränktheit dieser Sicht aufgrund ihres Kontaktes mit anderen Schriftstellern längst erkannt hat. - Als Stadtkind von Anfang an mit 'Bildungsgütern' aufgewachsen, habe ich früh meinen anderen Interessenhorizont von anderen Altersgenossen als schmerzliche Grenze erfahren, aber letztlich meinen nicht aufgeben wollen. Die Schriftstellerin überwindet den Abstand. Dass man ein Milieu nur angemessen schildern könne, wenn man ganz dazu gehört hat, kommt ihr nicht in den Sinn, weil zu wenige dieses Milieus darüber zu schreiben wussten. 

30 März 2024

Martin Buber


Gerhard Wehr: Martin Buber rowohlts monographien 1968
"[...] Vorerst besucht der Vierzehnjährige in Lemberg das polnische Gymnasium, und er taucht damit in den slavischen Kulturraum hinein. Er lernt die polnische Sprache und befreundet sich mit der polnischen Literatur, wohl auch mit der Geschichte der polnischen Freiheitsbewegung (S. 15/16)



Buber als dialogischer Denker
Bei seiner Zusammenstellung für seine dreibändige Werkausgabe (1960) überlegte er Folgendes: 
"Bei der Überlegung, was 'Werk' eigentlich ist, kam er zu der Einsicht, 'Werk' unterscheide sich vom Aufsatz oder vom Essay dadurch, dass es ein in sich Abgeschlossenes, nicht über sich Hinausweisen da sei.
Huber bekannte im Vorwort zum ersten Band:

















































Den ersten Zugang zu einem vertieften Verständnis des Chassidismus hat Buber über seinen Großvater erlangt, der ein sehr guter Kenner dieser religiös mystischen Strömung war. Er sammelte viele Jahre lang chassidische Erzählungen und legte seine Erkenntnisse 1918 in der Schrift Mein Weg zum Chassidismus nieder. Als einen Grundgedanken dieser Strömung formuliert er: "Gott ist in jedem Ding zu schauen und durch jede reine Tat zu erreichen." (S.65)

Die Rolle des Zadikk  innerhalb der Gemeinde der Chassiden beschreibt Wehr (orientiert an Buber) so: "Der Zadikk  ist der Gerechte, der Bewährte, der Vollkommene. An ihm orientiert sich der Fromme als einzelner wie als Gemeinde. Es sind keineswegs nur die Worte der 'Lehre', die über die Lippen des Zadikk gehen. Auch und gerade seine Taten sind Lehre. Der Zadikk selbst ist Menschengestalt gewordene Lehre. Deshalb sind zu jeder Zeit aller Blicke auf ihn und sein Tun gerichtet." (S.67)
"Ziel allen Tuns ist Jichud die Einung, die Verbindung zwischen Gott und seiner Schechina auf Erden. Der Chassid vollzieht im Umgang mit den Dingen dieser Welt diese Einung und Weihung, die in Begriff des Erlöserischen ist. Jichud knüpft nicht an an die etwaige Heilstat eines Gottmenschen. Jichud. ist nicht Nachvollzug sondern originärer Vollzug. Vom Zadikk lernt der Chassid, sein Tagwerk als Jichud. zu vollbringen: Der Mensch wirkt die Einheit Gottes, das heißt: durch ihn vollzieht sich die Einheit des Werdens, die Gotteseinheit der Schöpfung...  Buber legt Wert darauf, Jichud von dem deutlich abzuheben, was man eine magische Handlung nennt. Während der magische Akt die Einwirkung eines Subjekts auf ein Objekt bedeutet, also Machtausübung, meint Jichud die Auswirkung des Objektiven in einer Subjektivität und durch sie: Des Seienden im Werdenden und durch es … Jichud setzt keine besondere Formel, keine besondere Praktik oder Prozedur voraus. Sie ist gar nichts anderes als das gewohnte Leben des Menschen, nur gesammelt und auf die Einung als Ziel gerichtet… Nicht geheime Formelkunde, sondern Allweihe.(S.69)


26 März 2024

Eichendorff über Hamburg

 Im September 1805 schreibt Eichendorff in einem Brief, Eine "steinerne Welt [....] mit ihren Palästen und Türmen und ein Wald von 1000 und aber mal 1000 himmelhohen Masten, gleich einen wilden Windbruche, deuteten uns den Hafen. Je näher wir demselben kamen, desto öfter überraschten uns Ungeheuer von Schiffsgerippen, die am Ufer ausgebessert wurden. Mit staunendem Entzücken fuhren wir in das tosende Chaos hinein, wie eine fremde Feenwelt umschlossen uns rings die ungeheuren Seepaläste." Und im Inneren der Stadt "bot uns das Gewühle von eleganten Equipagen und Menschen aus allen Nationen ein interessantes Schauspiel dar, und wir waren anfangs von dem Leben und Treiben dieses ungeheueren Ganzen halb betäubt." (Matthias Claudius: Sämtliche Werke, Nachwort, S.976)

24 März 2024

E.U. v. Weizsäcker: So reicht das nicht!

 E.U. v. Weizsäcker: So reicht das nicht, 2022

"Atomabfälle schließlich stellen ein teures und technisch aufwändiges  Entsorgungsproblem dar, welches allen Kernkraft-Ländern und -Betreibern sorgen und Kosten auferlegt." (S.50)
"Die 'Taxonomie' der EU hat 2022 eine von Frankreich und anderen Mitgliedstaaten dringlich gewünschte Subventionierung der Kernenergie als 'nachhaltig' eingeführt. Das dürfte sich als großer Fehler erweisen, sobald an irgendeinem Ort ein Schaden eintritt und die EU gezwungen wird, diesen Taxonomie-Fehler wieder auszuradieren - aber nichts ungeschehen machen kann!" (S.51)
"Das Hauptproblem ist, dass, während wir in Deutschland die Klimaneutralität bis 2045 oder noch früher erreichen wollen, weltweit die Nutzung von fossiler Energie immer noch fast uneingeschränkt weitergeht. Für die gewünschte Erreichung des 1,5 C-Ziels bis 2050 müssen jedoch alle Länder mitmachen. Und die Mehrzahl der Entwicklungsländer kann sich das nicht leisten!
Wir müssen also dringend eine Strategie fahren, die die Entwicklungsländer in Sachen Klimaschutz ins Boot holt." (S. 110)
Ein für Entwicklungsländer gerechteres Vorgehen wäre der international auszuhandelnde Budgetansatz. [...] Der Budgetansatz ging oder geht folgendermaßen: Die Wissenschaft kalkuliert die Menge der noch erlaubten Treibhausgasemissionen, umgerechnet auf Megatonnen CO2, unter der Bedingung, dass sich die atmosphärische Temperatur um nicht mehr als 2° C oder auch 1,5° C gegenüber vorindustrieller Zeit erhöht. Diese Menge ist das Budget. Dann erhalten alle Länder der Welt ein pro Kopf gleich großes Anrecht auf Emissionen.
Aber dann hätten die alten Industrieländer ihre Anrechte oder Lizenzen beinahe schon aufgebraucht, weil sie ja bereits seit 200 Jahren massenhaft Kohle verbrennen. Wenn Sie wei/terhin Treibhausgase imitieren wollen, müssten Sie sehr bald bei den Entwicklungsländern anklopfen und um neue Lizenzen bitten. Hieraus würde sich ein Lizenzenhandel ergeben [...] der ausgehandelte Preis würde umso höher ausfallen, je näher man dem weltweiten Budgetlimit käme. mit dem Preis wurde sowohl im 'Norden' als auch im 'Süden' der Anreiz zur Verminderung der eigenen Emissionen jährlich zunehmen. Also würde sich frühes Handeln beiderseits wirtschaftlich kräftig lohnen, ganz anders als heute, wo man sich fast immer so verhält, als sei faules Zuwarten wirtschaftlich am besten! Das spannende Merkmal dieses Budgetansatzes ist folgendes: Zum ersten Mal in der Geschichte würde ein Entwickl/ungsland, das vor der Entscheidung steht, ein Kohlekraftwerk zu errichten, nicht automatisch mit dem Bau beginnen. Hohe Preise für CO2-Lizenzen würden den Nicht-Bau verlockend attraktiv machen." (S.111-113)
Überraschend ist die Tatsache, dass Industrierohstoffe, das sind Mineralien und fossile Brennstoffe, über 200 Jahre immer billiger geworden sind. Man könnte ja denken (wie es der Club of Rome in seinem 1972 erschienenen Buch Die Grenzen des Wachstums annahm), dass der ständige Verbrauch von Rohstoffen dieselben knapper und deshalb teurer macht. Abbildung 31 aus dem Jahr 2022 zeigt neben dem über 200 Jahre statistisch gesicherten Abwärts-Preistrend als Ausnahmen auch ein paar Spitzen nach oben. Die stammen aus den Jahren der beiden Weltkriege sowie den 1970er-Jahren während der Ölkrise. Der große Abwärtstrend lässt sich als technischer Fortschritt und als Skaleneffekte der geologischen Auffindung der Rohstoffe sowie ihrer Extraktion und Verschiffung erklären. Die Folge war jedenfalls, dass die noch vor 100 Jahren selbstverständliche Sparsamkeit im Umgang mit Rohstoffen einer zunehmenden Verschwendung gewichen ist. (S.118)

23 März 2024

Thomas Mann: Joseph und seíne Brüder

 Im Gespräch mit Potiphar, Joseph in Ägypten 4. Hauptstück Joseph redet mir Potiphar, S.655 ff. lässt sich Joseph darüber aus,  dass manche Bäume männliche und weibliche Blütenstände tragen, so dass es nicht ausgemacht ist, ob man sie als männlich oder weiblich ansprechen sollte [trans-Personen sind nicht weit]. (S,662)