18 April 2024
Heinrich Festing: Aldolph Kolping und sein Werk
17 April 2024
Israel
Informationen zur politischen Bildung Heft 336 (2018) mit Inhaltsverzeichnis
Eine Bewegung verschafft sic ihren Staat: der Zionismus (Michael Brenner)
1879 hatte der deutsche Journalist Wilhelm Marr den Begriff des Antisemitismus erfunden und damit dem nunmehr "rassisch" begründeten Judenhass einen pseudo-wissenschaftlichen Anstrich gegeben. [...] In Wien wurde mit Karl Lueger ein sich offen zum Antisemitismus bekennender Politiker zum Bürgermeister der Stadt gewählt. Selbst in Frankreich [...], als dem jüdischen Artilleriehauptmann Alfred Dreyfus 1894 wegen angeblichen Hochverrats der Prozess gemacht wurde.
[...] Die neuen antisemitischen Parteien, die am Ende des 19. Jahrhunderts in den deutschen Reichstag einzogen, fanden im alten Feindbild der Juden Erklärungen für neue Missstände. Angesehene Persönlichkeiten wie der Hofprediger Adolf Stoecker und der Historiker Heinrich von Treitschke schürten derlei antijüdische Vorurteile selbst am kaiserlichen Hof und an den Universitäten.
[...] in Osteuropa [...] waren die Juden niemals vollständig emanzipiert worden und litten zudem unter großer wirtschaftlicher Not. Nach dem Attentat auf den Zaren Alexander II. 1881, an dem auch eine Frau jüdischer Herkunft beteiligt gewesen war, führte eine gezielt antijüdische Kampagne zu gewaltsamen Pogromen. Viele Juden mussten um ihr Hab und Gut und oftmals auch um ihr Leben fürchten. Zwischen 1881 und 1914 wanderten daher über zwei Millionen Juden aus dem Zarenreich nach Nordamerika aus.
Eine kleine Gruppe der Auswanderungswilligen brach im gleichen Zeitraum ins Osmanische Reich auf, um sich in dem Gebiet, das sie Eretz Israel, das Land Israel, nannten, niederzulassen. Es gab damals weder Israel noch Palästina als politische Einheit, sondern lediglich verschiedene von Istanbul, der Hauptstadt des Osmanischen Reiches, aus regierte Bezirke, den Sandschak von Jerusalem sowie den von Nablus und Akko. Inspiriert wurden die Auswanderungswilligen von einer Schrift des in Odessa lebenden Arztes Leon Pinsker (1821–1891), der 1882 unter dem Eindruck der Pogrome in einem kleinen auf Deutsch verfassten Büchlein mit dem Titel "Auto-Emanzipation" gefordert hatte, dass die Juden sich eben selbst emanzipieren müssten. Wenn dies im Zarenreich nicht möglich sei, bräuchten sie ein eigenes politisches Territorium, um sicher vor den Antisemiten zu sein. Zwar bildeten sich daraufhin einige Ortsvereine der sogenannten Zionsfreunde (Chovevei Zion), doch eine breite politische Bewegung konnte Pinsker ebenso wenig auf die Beine stellen wie vor ihm Moses Heß. [...]
Dieses Verdienst kommt unumstritten dem in Budapest aufgewachsenen und in Wien lebenden Journalisten Theodor Herzl (1860–1904) zu [...] Er wuchs in einem Elternhaus auf, das sich bewusst für einen Weg heraus aus dem traditionellen Judentum und hinein in die deutschsprachige Gesellschaft entschieden hatte. So war Herzl mit der hebräischen Sprache nicht vertraut und die jüdischen Gebete blieben ihm zeitlebens fremd. [...]
Herzl war sich wohl bewusst, dass die Juden auch in seiner Geburtsstadt Budapest und in seiner Wahlheimat Wien angefeindet wurden. Aber wenn selbst in Frankreich, wo sie seit über 100 Jahren gleichberechtigte Bürger waren, auf der Straße gegen sie gehetzt wurde, dann gab es nach seiner Ansicht keine Hoffnung mehr für die Juden, irgendwo in Europa frei von Ressentiments zu leben. [...]
Einen Schlüssel zur Lösung des Problems sah Herzl zunächst in einem Massenübertritt der Wiener Juden zum katholischen Glauben. Sehr bald erkannte er jedoch, dass sie damit zwar der traditionellen, religiös motivierten Judenfeindschaft ausweichen konnten, nicht aber dem neuen, "rassisch" begründeten Antisemitismus. Als Ausweg blieb nur die Auswanderung aus Europa. 1896 veröffentlichte Herzl eine kleine Broschüre mit dem programmatischen Titel "Der Judenstaat". Darin hielt er fest, dass sein Projekt eines Judenstaates unzweifelhaft aus der Zurückweisung durch die europäische Umgebung geboren wurde: "Wir haben überall ehrlich versucht, in der uns umgebenden Volksgemeinschaft unterzugehen und nur den Glauben unserer Väter zu bewahren. Man lässt es nicht zu. Vergebens sind wir treue und an manchen Orten sogar überschwängliche Patrioten. (…) Wenn man uns in Ruhe ließe. (…) Aber ich glaube, man wird uns nicht in Ruhe lassen." (Theodor Herzl, Der Judenstaat, Leipzig 1896, S. 11 f.)
Wo der neue Judenstaat liegen sollte, war ihm noch nicht klar: [...]
Herzl stieß von Anfang an auf Widerstand in der jüdischen Gemeinschaft. [...] So verweigerten wohlhabende Juden, wie die Barone Rothschild und Hirsch in Paris, Herzl ebenso die Unterstützung wie die Rabbiner, um die er sich bemühte. [...] Herzl war aber auch innerhalb der jungen zionistischen Bewegung nicht unumstritten. Um den russischen Zionisten Achad Ha’am (hebr.: Einer aus dem Volk, eigentlich Ascher Ginsberg, 1856–1927) scharten sich jene Zionisten, deren Motiv zur Rückkehr nach Palästina nicht so sehr der Antisemitismus war wie die Angst um den Untergang des Judentums als Folge der zunehmenden Assimilation. Sie wollten ein geistiges und kulturelles jüdisches Zentrum schaffen, darin die hebräische Sprache als Alltagssprache wiederbeleben, und mit einer neuen, säkularen, jüdischen Kultur auch den in der Diaspora (Zerstreuung) verbleibenden Juden das Festhalten an ihrer jüdischen Identität ermöglichen. Als Herzl im Jahre 1902 seinen utopischen Roman "Altneuland" veröffentlichte, der die zukünftige jüdische Gesellschaft in Palästina wie ein idealisiertes Europa darstellte, wo man englische Internate, französische Opernhäuser und natürlich Wiener Kaffeehäuser hätte und wo europäische Sprachen gesprochen würden, reagierte Achad Ha’am mit scharfer Kritik. Was Herzl hier projiziere, sei doch nichts anderes als eine Assimilation der Juden auf kollektiver Ebene. Sie retteten zwar ihre physische Existenz in den Orient, doch sie lebten weiter, als ob sie in Europa wären. [...] In Herzls Vision hießen die einheimischen Araber die jüdischen Einwanderer willkommen, da diese die Errungenschaften der modernen Zivilisation Europas mit sich brachten und das Land aufbauten. Achad Ha’am dagegen prognostizierte den Konflikt der beiden Bevölkerungsgruppen. [...]
Vor Beginn der Einwanderungsbewegung, die Anfang der 1880er-Jahre aus Osteuropa einsetzte, lebten circa 25.000 Juden unter etwa einer halben Million zumeist muslimischer, aber zu einem kleinen Teil auch christlicher Araber in Palästina. Über Jahrhunderte war diese kleine jüdische Bevölkerung, der sogenannte Alte Jischuw, in Palästina ansässig gewesen und hatte sich auf die vier Städte Jerusalem, Hebron, Tiberias und Zefat (Safed) konzentriert. [Der alte Jischuv war überwiegend arabisch- und ladinosprachig, die neuen Einwanderer sprachen überwiegend Jiddisch und andere europäische Sprachen (Polnisch, Russisch, Deutsch u. a.); der alte Jischuv war sephardisch, der neue hingegen aschkenasisch geprägt.[4]" (Wikipedia)
sieh auch: Artikel in diesem Blog mit Bezug auf Israel
16 April 2024
Flora Thompson: Still glides the Stream
Still glides the Stream (1948, posthum)
Aus der Sicht von Charity Finch, einer pensionierten Lehrerin wird das Leben in dem fiktiven Dorf Restharrow geschildert. Die Darstellung konzentriert sich auf zwei eng mit einander befreundete Familien, Charity und ihre Eltern und Charitys Onkel Reuben Truman mit seinen drei Töchtern Bess, Mercy und den Nachkömmling Polly. Bess, gutaussehend und energisch, hat nach dem Tod ihrer Mutter schon sehr früh die Haushaltsführung übernommen, "good, plain, sensible" Mercy, zurückhaltend, aber stets bereit auch harte Arbeiten zu übernehmen. Polly, die von Bess etwas verwöhnt wird, ist recht begabt und besonders musikalisch. Reubens Familie wohnt in einigen wenige Räumen des Gutshauses aus dem der Gutsbesitzer ausgezogen ist, nachdem er sich einen zeitgemäßeren Wohnsitz in einem anderen Dorf geschaffen hat. In demselben Haus aber in getrenntem Haushalt wohnt die alleinerziehende Mrs. Pocock mit ihrer Tochter Stella. Charity bewundert Stella wegen ihrer Schönheit und Anmut, entfremdet sich dann aber von ihr, als sie feststellt, dass diese ziemlich egoistisch ist und vor Unwahrheiten nicht zurückschreckt, wenn sie damit die imponierende Bess herabsetzen kann.
Mrs. Pocock ist eine "bettermost person". "Der Bessergestellte, der immer eine Frau und nie ein Mann war, gehörte nicht, wie man annehmen könnte, zu den oberen Rängen der Gesellschaft. Diejenigen, die an der Spitze der sozialen Rangliste standen, wurden immer als 'gentry' (Adelige) bezeichnet, und nach ihnen folgten mehrere Stufen, die alle noch höher als die 'Bessergestellten' waren. Mit diesem Begriff wurde in dieser Gegend jeder bezeichnet, der sich auch nur geringfügig von der allgemeinen Armut abhob, vorausgesetzt, er zeigte durch seine Lebensweise, dass er sich seiner vermeintlichen Überlegenheit bewusst war. Die besser gestellte Person stand nicht auf ihrer Türschwelle, um zu tratschen; sie lud andere ihrer Art zum Tee ein, hinter gestärkten weißen Spitzenvorhängen. Wenn sie einkaufen ging, nahm sie mit Selbstverständlichkeit den Vordersitz neben dem Fahrer des Wagens als ihr Recht ein und wandte der klatschenden Menge auf den hinteren Plätzen den Rücken zu, wenn auch nicht immer ein taubes Ohr." ["The bettermost person, who was always a woman, never a man, was not, as might be supposes, one belonging to the upper ranks of society. Thosese at the top of the social tree were allways speaken of as 'gentry' and after them, came several grades higher than the bettermost. That term in that locality, was used to describe anyone in ever so slight a degree removed from the general level of poverty, provided thst she herself showed by her manner of living that she was conscious of her own supposed superiority. The bettermost person did not stand upon her doorstep to gossip; she invited another of her own kind to tea behind starches white lace curtains. When she wnt shopping, she took as her right the front seat beside the driver in the carrier's cart and turned her back, if not always a deaf ear, on the gossiping crowd in the back seats."] (S.67/68)
Diese Passage zeigt sehr deutlich, was mir Flora Thompsons so sympathisch macht. Unter Landarbeiterskindern aufgewachsen teilt sie die Werthaltungen dieses Milieus, auch wenn sie aufgrund ihrer schriftstellerischen Begabung und ihrem hohen Interesse an genauer Beobachtung und Beschreibung nie wirklich ganz dazu gehört hat. Sie will nichts 'Besseres' sein, auch wenn sie die Beschränktheit dieser Sicht aufgrund ihres Kontaktes mit anderen Schriftstellern längst erkannt hat. - Als Stadtkind von Anfang an mit 'Bildungsgütern' aufgewachsen, habe ich früh meinen anderen Interessenhorizont von anderen Altersgenossen als schmerzliche Grenze erfahren, aber letztlich meinen nicht aufgeben wollen. Die Schriftstellerin überwindet den Abstand. Dass man ein Milieu nur angemessen schildern könne, wenn man ganz dazu gehört hat, kommt ihr nicht in den Sinn, weil zu wenige dieses Milieus darüber zu schreiben wussten.
30 März 2024
Martin Buber
26 März 2024
Eichendorff über Hamburg
Im September 1805 schreibt Eichendorff in einem Brief, Eine "steinerne Welt [....] mit ihren Palästen und Türmen und ein Wald von 1000 und aber mal 1000 himmelhohen Masten, gleich einen wilden Windbruche, deuteten uns den Hafen. Je näher wir demselben kamen, desto öfter überraschten uns Ungeheuer von Schiffsgerippen, die am Ufer ausgebessert wurden. Mit staunendem Entzücken fuhren wir in das tosende Chaos hinein, wie eine fremde Feenwelt umschlossen uns rings die ungeheuren Seepaläste." Und im Inneren der Stadt "bot uns das Gewühle von eleganten Equipagen und Menschen aus allen Nationen ein interessantes Schauspiel dar, und wir waren anfangs von dem Leben und Treiben dieses ungeheueren Ganzen halb betäubt." (Matthias Claudius: Sämtliche Werke, Nachwort, S.976)
24 März 2024
E.U. v. Weizsäcker: So reicht das nicht!
E.U. v. Weizsäcker: So reicht das nicht, 2022
23 März 2024
Thomas Mann: Joseph und seíne Brüder
Im Gespräch mit Potiphar, Joseph in Ägypten 4. Hauptstück Joseph redet mir Potiphar, S.655 ff. lässt sich Joseph darüber aus, dass manche Bäume männliche und weibliche Blütenstände tragen, so dass es nicht ausgemacht ist, ob man sie als männlich oder weiblich ansprechen sollte [trans-Personen sind nicht weit]. (S,662)