02 März 2017

de Bruyn: Märkische Forschungen

Selten lese ich mit so uneingeschränktem Genuss wie in diesem Buch.

Bruyns autobiographische Werke bleiben unübertroffen. Ich bin immer wieder beeindruckt von der selbstkritischen Sicht, die nicht auf einen Mangel an Selbstachtung, sondern auf den hohen Anspruch, den er an sich stellt, zurückzuführen ist. 
Eindrucksvoll und sympathisch ist auch, dass er dabei die Beziehung zu seiner Frau ausspart, um nichts zu sagen, was sie nicht von sich aus preisgeben möchte.

Was dort dem Leser fehlt, liefert de Bruyn aber in diesem fiktionalen Werk: ein Bild, wie er das Verhältnis zu seiner Frau gesehen werden möchte. Denn das Doppelporträt des Ehepaars Pötsch das Bild enthält unübersehbar eine Kritik an der Fixiertheit des Künstlers auf sein Werk. Und wenn es heißt, dennoch sei um Pötsch nicht zu fürchten, "da er eine patente Frau habe, die ihn ans Essen und Trinken erinnere" (S.151), dann darf man annehmen, dass de Bruyn hier humoristisch übersteigert ein Bild seiner eigenen Situation andeuten will.

Erstaunlich, dass Bruyns kritische Sicht auf den DDR-Kulturbetrieb in der DDR erfolgreich verfilmt wurde: Märkische Forschungen, der Film.

Zitate:
"Wer will entscheiden, ob wir lieben, was uns ähnlich ist, oder ob wir dem ähnlich werden, was wir lieben?" (S.15)
"Diktaturen der Mode wirken wie andere auch: Erst zwingen sie zur äußerlichen Unterwerfung, dann folgt, nach einer Phase der Gewöhnung, die Verinnerlichung. Was einst Zwang war, wird nun freier Wille. Was einmal ungewöhnlich, häßlich, komisch wirkte, ist nun schön." (S.84)

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