24 Dezember 2016

Stefan Zweigs Leben verfilmt

Schon die erste Episode brennt sich einem ein: Der 54-jährige Zweig, gespielt von Josef Hader, ist 1936 als einziger bedeutender Exilant auf dem Schriftsteller-Kongress des PEN-Clubs in Buenos Aires anwesend – und er gibt eine für zeitgenössische Beobachter desaströse Figur ab. Der international erfolgreichste Schriftsteller deutscher Sprache, ein Flüchtling, weigert sich, ein politisches Statement gegen das Naziregime abzuliefern. Die ihn umzingelnden Reporter deuten es als Feigheit. Zweig aber, der ganz allgemein auf Sittlichkeit und Menschenfreundlichkeit abhebt, begreift sich als den Mutigen in einem Meer von Halbstarken. Es besteht schließlich kein Zweifel, dass er Humanist ist durch und durch und ein Gegner des Naziregimes, aber vereinnahmen lassen möchte er sich im Blitzlichtgewitter nicht: "Jede Widerstandsgeste, die kein Risiko in sich birgt und keine Wirkung hat, ist nichts als geltungssüchtig." Und spätestens hier, mit diesem Satz, ist man ganz in der Gegenwart – und hat die so hochfahrenden Moralprediger vor Augen, die so schnell urteilen und nervös-peinlich ihre unbeirrbaren Meinungen twittern, ohne je selbst erfahren zu haben, was es heißt, von einem Land in ein anderes transplantiert zu werden.
(Maria Schrader: Vor der Morgenröte ZEIT 15.12.16)

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