30 August 2016

Sancho Pansa schreibt an seine Frau

[...] Worauf Sancho antwortete: »Gebe mir Eure Hoheit eine Geißel oder einen passenden Strick, so will ich mich damit schlagen, doch muß es nicht zu übermäßig schmerzen, denn Euer Gnaden muß wissen, daß, ob ich gleich nur ein Bauer bin, meine Haut doch mehr von der Seide als vom Holze an sich hat und daß es unverständig wäre, mich zum Besten eines andern zu martern.« »So sei es«, antwortete die Herzogin, »ich will Euch morgen eine Geißel geben, die gerade für Euch passen wird und sich so für Eure zarte Haut schicken soll, als wenn beide leibliche Geschwister wären.« Worauf Sancho sagte: »Wisse Eure Hoheit, meine allerliebste gnädige Frau, daß ich einen Brief an meine Frau Therese Pansa geschrieben habe, worin ich ihr alles erzähle, was sich mit mir zugetragen hat, seit ich von ihr bin; ich habe ihn hier im Busen, es fehlt weiter nichts daran als die Aufschrift; ich wünschte, daß Eure Verständigkeit ihn läse, denn ich glaube, daß er ganz statthalterisch klingt, ich meine, wie ihn die Statthalter schreiben müssen.« »Und wer hat ihn unterzeichnet?« fragte die Herzogin. »Wer soll ihn unterzeichnet haben als ich armer Sünder«, antwortete Sancho.
»Und habt Ihr ihn geschrieben?« fragte die Herzogin.
»Nicht daran zu gedenken«, antwortete Sancho, »denn ich kann weder lesen noch schreiben, aber wohl unterzeichnen.«
»Laßt ihn sehen«, sagte die Herzogin, »denn ich bin versichert, daß Ihr darin die Eigentümlichkeit und Größe Eures Genies offenbaren werdet.«
Sancho holte einen offenen Brief aus dem Busen, die Herzogin nahm ihn und sah, daß er folgendes enthielt:

Brief des Sancho Pansa an Therese Pansa, seine Frau 

 Haben sie mir tüchtige Schläge gegeben, so geschah mir nur, was dem tüchtigen Ritter zukömmt; habe ich eine Statthalterschaft, so kostet sie mich tüchtige Schläge. Das wirst Du nicht verstehen, liebe Therese, für jetzt; ein andermal wirst Du es einsehen. Du mußt wissen, Therese, daß ich entschlossen bin, Du sollst in Kutschen fahren, denn darauf kommt es jetzt an, denn beim Gehen fährt man übel, und es ist nur hundemäßig. Frau eines Statthalters wirst Du, nun gib acht, daß sie Dich nicht unter die Füße treten. Hier schicke ich Dir ein grünes Jagdkleid, das mir die gnädige Herzogin geschenkt hat; schneid es so zu, daß unsere Tochter Rock und Leibchen daraus kriegt. Don Quixote, mein Herr, wie ich mir hierzulande habe sagen lassen, ist ein gescheiter Narr und ein lustiger Dummkopf, und ich bleibe ihm auch darin nichts schuldig. Wir sind in der Höhle des Montesinos gewesen, und der weise Merlin hat auf mich sein Auge geworfen, wegen der Entzauberung der Dulcinea von Toboso, die haußen bei uns Aldonza Lorenzo heißt. Mit dreitausendunddreihundert Streichen weniger fünf, die ich mir geben soll, wird sie so entzaubert wie die Mutter, die sie geboren hat. Sage kein Wort davon an niemanden, denn fragt man sich nach um so etwas, so sagt der eine, es ist weiß, und der andere, es ist schwarz. Innerhalb etlichen Tagen werde ich zur Statthalterei abgehen, wohin ich mich mit dem sehnlichen Wunsche begebe, Geld zu machen, denn man hat mir gesagt, daß alle neuen Statthalter mit dem nämlichen Wunsche abgehen; ich werde die Gelegenheit besehen und Dir Nachricht geben, ob Du zu mir kommen sollst oder nicht. Der Graue ist gesund und empfiehlt sich Dir vielmals, ich lasse ihn nicht, und wenn sie mich auch zum Großtürken machten. Die Herzogin, meine Gebieterin, küßt Dir tausendmal die Hände, tu Du es zur Antwort zweitausendmal, denn es gibt kein Ding, das so wenig kostet oder so wohlfeil ist, wie mein Herr sagt, als die höflichen Redensarten. Es hat Gott nicht gefallen, mir ein neues Felleisen mit neuen hundert Dukaten zu schenken, wie das von damals; aber sei nicht betrübt, liebe Therese, denn wer das Kreuz hat, der segnet sich damit, und die Statthalterschaft muß den Kohl wieder fett machen; nur bekümmert mich das sehr, daß man mir sagt, hätte ich es einmal gekostet, so würde ich die Hände darnach fressen, und wenn dem so wäre, so käme es mir teuer zu stehen, wenn auch die Verstümmelten und Krüppel in den Almosen, die sie betteln, ihre Pfründe finden, so daß auf dem einen oder dem anderen Wege Du reich und glücklich werden mußt. Gott verleihe es Dir, wie er kann, und erhalte mich, um Dir zu dienen. 

Auf diesem Schlosse,
                                                 am 20. Julius, im Jahre 1614.
                                                                                                          Dein Mann, der Statthalter 
                                                                                                          Sancho Pansa 

Als die Herzogin den Brief zu Ende gelesen hatte, sagte sie zu Sancho: »In zwei Dingen weicht der gute Statthalter etwas von der rechten Straße ab: zuerst, daß er sagt oder doch zu verstehen gibt, er habe die Statthalterschaft für die Streiche bekommen, die er sich noch zu geben hat, da er doch weiß – was er gar nicht leugnen kann –, daß damals, als der Herzog, mein Herr, sie ihm versprach, man es sich noch nicht träumen ließ, daß es Schläge in der Welt gäbe; und zweitens, daß er sich sehr geizig zeigt, es wäre aber nicht gut, wenn wir die Katze für den Hasen kauften, denn zu viel zerreißt den Sack, und ein geiziger Statthalter wird immer nur ein sehr unstatthaftes Recht handhaben.«
»Ich habe es nicht so gemeint, gnädige Frau«, antwortete Sancho, »und wenn Eur Gnaden meint, daß der Brief die Art nicht hat, die er haben soll, so darf ich ihn nur zerreißen und einen andern schreiben, wo es sich aber fügen kann, daß er noch schlimmer wird, wenn er bloß aus meinem Hirnkasten herauskommen soll.«
»Nein, nein«, versetzte die Herzogin, »er ist gut so, und ich will, daß ihn der Herzog sehen soll.«
(Cervantes: Don Quijote 2. Teil, 9. Buch 3. Kapitel)

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