07 Juni 2016

Geschichte des Algeriersklaven

»In einem Orte der leonischen Gebirge hat meine Familie ihren Ursprung genommen, gegen welche die Natur sich gütiger gezeigt hatte als das Glück, obgleich in der Armut jener Landschaften mein Vater immer noch für reich galt und es auch gewesen wäre, wenn er sich dieselbe Mühe gegeben hätte, sein Vermögen zu erhalten, als er sich gab, es zu verlieren. Seine zu große Freigebigkeit rührte daher, daß er in seinen jüngeren Jahren Soldat gewesen war: denn der Soldatenstand ist eine Schule, in der der Knicker großmütig und der Großmütige Verschwender wird, und wenn es auch einige geizige Soldaten gibt, so sind sie wie Mißgeburten, die nur selten angetroffen werden.
Mein Vater überschritt aber die Grenzen der Freigebigkeit und streifte in das Gebiet des Verschwendens, welches niemals für einen verheirateten Mann gut ist, der Kinder hat, die seinen Namen und seinen Stand fortpflanzen sollen. Mein Vater hatte drei Kinder, alle drei Jünglinge und alle schon in dem Alter, sich ihre Bestimmung zu erwählen. Da nun mein Vater sah, daß es ihm unmöglich war, wie er sagte, seine Neigung zu bezähmen, so wollte er sich der Mittel berauben, die ihn großmütig und gastfrei machten, das heißt, seines Vermögens, ohne welches selbst ein Alexander sparsam werden muß; daher rief er uns eines Tages alle drei in sein Gemach und hielt uns eine Rede ungefähr mit diesen Worten: [...]
Er verteilt sein Vermögen zu gleichen Teilen unter seine Söhne und sich. Der Erzähler wird Soldat und gibt seinem Vater zwei Drittel seines Erbes wieder zurück.
Ich schiffte mich in Alicante ein und hatte eine glückliche Reise nach Genua; von dort ging ich nach Mailand, wo ich mich mit Waffen und allem, was einem Soldaten nötig ist, versah; von dort hatte ich mir vorgenommen, zu Piemont eine Stelle für mich zu suchen, als ich auf dem Wege nach Alexandria de la Palle erfuhr, daß der große Herzog von Alba nach Flandern gehe. Ich änderte meinen Vorsatz, begab mich zu ihm und diente ihm in seinen Feldzügen; ich war bei dem Tode der Grafen Egmont und Horn zugegen. Ich wurde Fähnrich bei einem berühmten Kapitän von Guadalaxara, der Diego de Urbina hieß, und nachdem ich eine geraume Zeit in Flandern gewesen war, erfuhr ich von dem Bündnisse, welches der Heilige Vater Pius der Fünfte mit Venedig und Spanien gegen den gemeinsamen Feind, den Türken, geschlossen hatte, der um die Zeit mit seiner Flotte die berühmte Insel Zypern erobert hatte, die unter der Herrschaft der Venetianer stand: ein bedauernswürdiger und unglücklicher Verlust! Ich hörte als eine Gewißheit, daß der General dieses Bündnisses der durchlauchtige Don Juan de Austria sei, der natürliche Bruder unsers edlen Königs Don Philipp; man erzählte sich von den ungeheuren Kriegeszurüstungen, und alles erweckte in mir die Begierde und den herzlichen Wunsch, diesem Feldzuge beizuwohnen, ob ich gleich schon die Anwartschaft und zuverlässige Verheißungen hatte, bei erster Gelegenheit zum Kapitän befördert zu werden; doch ließ ich alles dieses gern fahren und begab mich nach Italien. Es traf sich zum Glück, daß Don Juan de Austria gerade um dieselbe Zeit zu Genua ankam, von wo er nach Neapel ging, um sich mit der venetianischen Flotte zu vereinigen, mit der er sich hernach zu Mecina verband.
Ich machte hierauf jenen herrlichen Feldzug als Kapitän der Infanterie mit, welche Stelle mir mehr das gute Glück als meine Verdienste erworben hatten; und an jenem Tage, welcher für die Christen so glorreich war, indem er den Irrtum zerstörte, in welchem sich die Welt und alle Nationen befanden, daß die Türken nämlich auf dem Meere unüberwindlich wären, an diesem Tage, an welchem der ottomanische Stolz und Trotz niedergeschleudert ward, war ich unter tausend Glücklichen, die es gab – denn die Christen, die dort umkamen, waren beglückter als diejenigen, die lebend und als Sieger davonkamen –, war ich der einzige Unglückliche, denn statt daß ich, lebte ich in der Römerzeit, eine Schiffskrone hätte erwarten dürfen, sah ich mich in der Nacht, die dem ruhmreichen Tage folgte, mit Ketten an Händen und Füßen gefesselt. Dieses hatte sich auf folgende Weise zugetragen. Uchali, der König von Algier, ein kecker und glücklicher Korsar, hatte die Hauptgaleere von Malta angegriffen und bezwungen, auf der nur drei Ritter lebendig blieben, die alle schwer verwundet waren. Die Galeere des Juan Andrea kam dieser zu Hülfe, auf der ich mich mit meiner Kompanie befand. Ich tat, was meine Schuldigkeit war, sprang in die feindliche Galeere, die sich nun von der, die sie angegriffen hatte, losmachte und dadurch meine Soldaten hinderte, mir zu folgen, so daß ich mich allein unter meinen Feinden befand und einer so großen Menge keinen Widerstand leisten konnte. Von Wunden bedeckt, sank ich nieder, und wie Ihr, Señores, wißt, daß Uchali mit seinem ganzen Geschwader glücklich davonkam, so war ich nun ein Gefangener in seiner Gewalt, unter so vielen Fröhlichen der einzige Traurige, unter so vielen Freien der einzige Gefangene; denn an diesem Tage wurde funfzehntausend Christen die erwünschte Freiheit zuteil, die sich auf den Ruderbänken der türkischen Flotte befunden hatten. [...]
Der Erzähler berichtet dann von den Entwicklungen des Krieges.

Während aller dieser Begebenheiten befand ich mich am Ruder und hatte keine Aussicht auf meine Freiheit; wenigstens wollte ich sie nicht durch Ranzion erhalten, denn ich hatte mir fest vorgenommen, meinem Vater keine Nachricht von meinem Mißgeschick zu geben. [...]
(Cervantes: Don Quijote, 1. Teil 4. Buch 8. Kapitel) - zur Fortsetzung

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