31 Oktober 2014

Der Adel als Ruine

Aber diese sogenannte Kultur scheint mir nur eine andre Barbarei zu sein, der wir entgegengehn, oder vielleicht schon verfallen sind. Denn, wenn die frühere darin bestand, daß niemand oder wenige etwas wußten, so ist die jetzige wohl nicht minder beklagenswürdig, wo alle zu verstehn glauben, was kaum einer oder der andre überwältigt. Das ist eben das traurige Gefühl, was man gar nicht los wird, daß man die Nichtsnutzigkeit der Gegenwart immer empfinden muß und mit seinem Verstande sich doch vorhält, wie schwierig eine Restauration dessen sein möchte, was vor der Welt freilich zur Ruine geworden ist.« »Auch der Adel ist so eine Ruine«, sagte Hermann. »Ich muß immer lächeln, wenn ich sie noch mit ihren Titeln und Würden sich brüsten sehe. Was macht den Adel? Die Abgeschlossenheit, das Kastenmäßige. Nun aber haben die Bessern sich längst mit dem gebildeten Mittelstande vermischt. Nirgends finden Sie noch in der guten Gesellschaft den Unterschied der Stände. Leben wir hier auf unserm Schlosse anders, als in einer anständigen Bürgerfamilie? Erinnert irgendeine Etikette daran, daß wir mit Gliedern eines der ältesten Häuser unsres Vaterlandes Umgang pflegen?«

(Hervorhebung von mir)

Immermann: Die Epigonen, 

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