21 Juli 2014

Insel Felsenburg: Die Ankunft auf der Insel

Ich wußte mich vor Freuden fast nicht zu lassen, als ich diesen vor meine Person so glücklichen Ort nur von ferne erblickte, ohngeacht ich nichts wahrnehmen konnte, als einen ungeheuern aufgetürmten Steinklumpen, welcher auch, je näher wir demselben kamen, desto fürchterlicher schien, doch weil mir der Kapitän ingeheim allbereits eine gar zu schöne Beschreibung darvon gemacht hatte, bedünktenIch wußte mich vor Freuden fast nicht zu lassen, als ich diesen vor meine Person so glücklichen Ort nur von ferne erblickte, ohngeacht ich nichts wahrnehmen konnte, als einen ungeheuern aufgetürmten Steinklumpen, welcher auch, je näher wir demselben kamen, desto fürchterlicher schien, doch weil mir der Kapitän ingeheim allbereits eine gar zu schöne Beschreibung darvon gemacht hatte, bedünkten [...]
Es war am 12. Novemb. 1725 allbereit nach Untergang der Sonnen, da wir in behöriger Weite vor dem Felsen die Anker sinken ließen, weil sich der Kapitän vor den ihm ganz wohlbekannten Sandbänken hütete. Sobald dieses geschehen, ließ er kurz aufeinander drei Kanonschüsse tun, und bald hernach drei Raketen steigen. Nach Verlauf einer Vierteilsstunde mußten abermals drei Kanonen abgefeuert, und bei jedem zwei Raketen gezündet werden, da denn alsofort von dem Felsen mit dreien Kanonenschüssen geantwortet wurde, worbei zugleich drei Raketen gegen unser Schiff zugezogen kamen, welches bei denen, so keinen Bescheid von der Sache hatten, eine ungemeine Verwunderung verursachte. Der Kapitän aber ließ noch sechs Schüsse tun, und bis gegen Mitternacht alle Viertelstunden eine Rakete steigen, auch Lustkugeln und Wasserkegel in die See spielen, da denn unsern Raketen allezeit andere von dem Felsen entgegenkamen, um Mitternacht aber von beiden Seiten mit drei Kanonenschüssen beschlossen wurde. [...]
Der Kapitän, so die drei Angekommenen sehr wohl kennete, umarmete und küssete einen nach dem andern, worauf er nach kurzgefasseten Gruße sogleich fragte: Ob der Altvater annoch gesund lebte? Sie beantworteten dieses mit ja, und baten, er möchte doch alsofort nebst uns allen zu ihm hinaufsteigen. Allein der Kapitän versetzte: »Meine liebsten Freunde! ich will die bei mir habenden Leute nicht zur Nachtszeit in diesen Lustgarten der Welt führen, sondern erwarten, bis morgen, so Gott will, die Sonne zu unsern frohen Einzuge leuchtet, und uns denselben in seiner natürlichen Schönheit zeiget. Erlaubet uns solches«, fuhr er fort, »und empfanget zuvörderst diesen Euren Blutsfreund Eberhard Julium, welchen ich aus Teutschland mit anhero geführet habe.« Kaum hatte er diese Worte gesprochen, als sie vor Freuden in die Höhe sprungen, und einer nach dem andern mich umfingen und küsseten. [...]
Sobald wir aber dem Allmächtigen unser erstes Opfer auf dieser Insul gebracht, setzten wir die Füße weiter, nach dem, auf einem grünen Hügel, fast mitten in der Insul liegenden Hause zu, worinnen Albertus Julius, als Stammvater und Oberhaupt aller Einwohner, sozusagen, residierte. Es ist unmöglich dem geneigten Leser auf einmal alles ausführlich zu beschreiben, was vor Annehmlichkeiten uns um und um in die Augen fielen, derowegen habe einen kleinen Grundriß der Insul beifügen wollen, welchen diejenigen, so die Geometrie und Reißkunst besser als ich verstehen, passieren zu lassen, gebeten werden, denn ich ihn nicht gemacht habe, etwa eine eingebildete Geschicklichkeit zu zeigen, sondern nur dem kurieusen Leser eine desto bessere Idee von der ganzen Landschaft zu machen. Jedoch ich wende mich ohne weitläuftige Entschuldigungen zu meiner Geschichtserzählung, und gebe dem geneigten Leser zu vernehmen: daß wir fast eine Meilwegs lang zwischen einer Allee, von den ansehnlichsten und fruchtbarsten Bäumen, die recht nach der Schnur gesetzt waren, fortgingen, welche sich unten an dem ziemlich hoch erhabenen Hügel endigte, worauf des Alberti Schloß stund. Doch etwa dreißig Schritte lang vor dem Ausgange der Allee, waren die Bäume dermaßen zusammengezogen, daß sie oben ein rechtes europäisches Kirchengewölbe formierten, und anstatt der schönsten Sommerlaube dieneten. [...]
Ich wüßte nicht Worte genung zu ersinnen, wenn ich die zärtliche Bewillkommung, und das innige Vergnügen des Albert Julii und der Seinigen vorstellen sollte. Mich drückte der ehrliche Alte aus getreuem Herzen dermaßen fest an seine Brust, daß ich die Regungen des aufrichtigen Geblüts sattsam spürte, und eine lange Weile in seinen Armen eingeschlossen bleiben mußte. Hierauf stellete er mich als ein Kind zwischen seinen Schoß, und ließ alle Gegenwärtigen, sowohl klein als groß herzurufen, welche mit Freuden kamen und den Bewillkommungskuß auf meinen Mund und Hand drückten. [...]
Von dar ließ sich Albert Julius auf einem Tragsessel in seinen angelegten großen Garten tragen, wohin wir ingesamt nachfolgeten, und uns über dessen annehmliche, nützliche und künstliche Anlegung nicht wenig verwunderten. Denn diesen Garten, der ohngefähr eine vierteils teutsche Meile lang, auch ebenso breit war, hatte er durch einen Kreuzweg in vier gleiche Teile abgeteilet, in dem ersten Quartier nach Osten zu, waren die auserlesensten fruchtbaren Bäume, von mehr als hundert Sorten, das zweite Quartier gegen Süden, hegte vielerlei schöne Weinstöcke, welche teils rote, grüne, blaue, weiße und anders gefärbte extraordinär große Trauben und Beeren trugen. Das dritte Quartier, nach Norden zu, zeigte unzählige Sorten von Blumengewächsen, und in dem vierten Quartiere, dessen Ecke auf Westen stieß, waren die allernützlichsten und delikatesten Küchenkräuter und Wurzeln zu finden. [...]
Wir hatten schon gezweifelt, daß wir binnen vier bis fünf Tagen alle Sachen heraufzubringen vermögend sein würden, und sonderlich stelleten wir uns das Aufreißen der großen Packe und Schlagfässer sehr mühsam vor, wußten aber nicht, daß die Einwohner der Insul, an einem verborgenen Orte der hohen Felsen, zwei vortrefflich starke Winden hatten, durch deren Force wohl ein ganzer Frachtwagen auf einmal hätte hinaufgezogen werden können. [...]
Andere, da sie merkten, daß wir unsere Sachen gern vollends hinauf in des Alberti Wohnhaus geschafft haben möchten; brachten sofort ganz bequeme Rollwagen herbei, luden auf, was wir zeigten, spanneten zahmgemachte Affen und Hirsche vor, diese zohen es mit Lust den Hügel hinauf, ließen auch nicht eher ab, bis alles unter des Alberti Dach gebracht war. [...]
Nachmittags wurde abermals ordentlicher Gottesdienst und Katechismusexamen gehalten, welches über vier Stunden lang währete, und hätten, nebst Herrn M. Schmeltzern, wir Einkömmlinge nimmermehr vermeinet dieses Orts Menschen anzutreffen, welche in den Glaubensartikuln so trefflich wohl unterrichtet wären, wie sich doch zu unseren größten Vergnügen sowohl junge als Alte finden ließen. [...]

(vollständiger Text)

Keine Kommentare: