02 April 2014

Der Ritter von der traurigen Gestalt

Ein hagerer Mensch nämlich in einem langen, weißen Mantel saß auf einem hochbeinigten Schimmel, der den Kopf fast auf die Erde hängen ließ. Von dieser seiner Rosinante teilte die abenteuerliche Gestalt im Tone einer Predigt Befehle an die Bauern aus, worauf jedesmal ein lautes Gelächter erfolgte.[...]
Der Ritter von der traurigen Gestalt dagegen schaute von seinem Schimmel während des Empfanges und der ersten Unterhaltung so unheimlich und komisch darein, daß Leontin gar nicht von ihm wegsehen konnte. Jeder Bauer, den seine Arbeit an ihm vorüberführte, gesegnete die Gestalt mit einem tüchtigen Witze, wobei sich jener immer heftig verteidigte.[...]
Die sonderbare Gestalt setzte sich nun voraus in Galopp. Er schlug dabei mit beiden Füßen unaufhörlich in die Rippen des Kleppers und sein weißer Mantel rauschte in seiner ganzen Länge in den Lüften hinter ihm drein. Die Bauern riefen ihm sämtlich ein freudiges Hurra nach. Herr v. A., der die Verwunderung der beiden Gäste bemerkte, sagte lachend: das ist ein armer Edlemann, der vom Stegreif lebt, ein irrender Ritter, der von Schloß zu Schloß zieht, und uns besonders oft heimsucht, ein Hofnarr für alle, die ihn ertragen können, halb närrisch und halb gescheut. [...]
Joseph von Eichendorff: Ahnung und Gegenwart, Kapitel 7

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