25 April 2013

Insel Verlag

Einige Jahre vorher hatte ein dichterischer Dilettant kultiviertester Art den Gedanken gefaßt, seinen Reichtum nicht auf einen Rennstall zu verwenden, sondern auf ein geistiges Werk. Alfred Walter Heymel, als Dichter selbst eine unbeträchtliche Erscheinung, entschloß sich, in Deutschland, wo das Verlagswesen wie überall hauptsächlich auf kommerzieller Grundlage geführt wurde, einen Verlag zu begründen, der ohne Blick auf materiellen Gewinn, ja sogar in Voraussicht dauernder Verluste, als Maßstab nicht die Verkäuflichkeit, sondern die innere Haltung eines Werkes für seine Veröffentlichung entscheidend machte. Unterhaltungslektüre, so einträglich sie auch sein mochte, sollte ausgeschlossen bleiben, dagegen auch dem Subtilsten und dem Schwerzugänglichen Unterkunft geboten werden. Ausschließlich Werke reinsten Kunstwillens in reinster Form der Darbietung bei sich zu versammeln, war die Devise dieses exklusiven und zuerst nur auf das schmale Publikum der wirklichen Kenner angewiesenen Verlages, der mit der stolzen Absicht der Isolation sich „Die Insel“ und späterhin „Insel-Verlag“ nannte. Nichts sollte dort gewerbsmäßig gedruckt werden, sondern jeder Dichtung buchtechnisch eine äußere Form gegeben, die ihrer inneren Vollendung entsprach. So wurde jedes einzelne Werk mit Titelzeichnung, Satzspiegel, Type, Papier jedesmal neu zum individuellen Problem; selbst die Prospekte ebenso wie das Briefpapier erhoben sich bei diesem ehrgeizigen Verlage zum Gegenstand passionierter Sorgfalt. Ich erinnere mich zum Beispiel nicht, in dreißig Jahren einen einzigen Druckfehler in einem meiner Bücher gefunden zu haben oder selbst in einem Brief vom Verlag eine korrigierte Zeile: alles, auch die kleinste Einzelheit, hatte die Ambition des Musterhaften. Das lyrische Werk Hofmannsthals wie Rilkes war im Insel-Verlag vereinigt, und durch ihre Gegenwart war von vornherein das höchste Maß als das einzig gültige aufgestellt. Man mag sich darum meine Freude, meinen Stolz denken, mit sechsundzwanzig Jahren der ständigen Bürgerschaft dieser „Insel“ gewürdigt worden zu sein. Diese Zugehörigkeit bedeutete nach außen hin eine literarische Rangerhöhung und zugleich nach innen eine verstärkte Verpflichtung. Wer in diesen erlesenen Kreis trat, mußte Zucht und Zurückhaltung an sich üben, durfte keinerlei literarische Leichtfertigkeit, keine journalistische Eilfertigkeit je sich zuschulden kommen lassen, denn das Signet des Insel-Verlages auf einem Buche bekräftigte von vorneweg für Tausende und späterhin Hunderttausende ebenso Garantie innerer Qualität wie vorbildlicher drucktechnischer Vollendung.

Stefan Zweig: Die Welt von Gestern, Umwege auf dem Wege zu mir selbst 

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