02 März 2013

Fritz schickt sich in das ihm vom Vater vorgezeichnete Schicksal

"Fritz Nettenmair war unterdes aus seiner Betäubung wieder erwacht, und es war ihm gelungen aufzustehen. Der alte Herr hieß ihn von der Rüstung hereintreten und sagte: »Morgen vor Sonnenaufgang bist du nicht mehr hier. Sieh, ob du in Amerika wiederum ein anderer Mensch werden kannst. Hier bist du in Schande und bringst Schande. Nach mir gehst du heim; Geld sollst du haben; du machst dich fertig. Du hast seit Jahren nichts für Weib und Kind getan; ich sorge für sie. Vor Tagesanbruch bist du auf dem Weg. Hörst du?« 
Fritz Nettenmair wankte. Eben noch hatte er dem unausweichlichen Tode in die Augen gesehen; nun sollte er leben! Leben, wo niemand wußte, was er getan, wo ihn nicht jedes zufällige Geräusch mit dem Wahnbild des Häschers schrecken durfte. In diesem Augenblick fühlte er selbst das als ein Glück, daß er fern sein sollte von dem Weibe, um das er alles getan, was er getan, und in deren Anschauen er Tag für Tag alles mitsehen sollte, was er getan; die seine Tat wußte, von der jeder Blick eine Drohung war, ihn der Vergeltung zu überliefern. Es graute ihm vor dem Hause, in dem ihn stündlich alles erinnern mußte an das, was er unter dem fremden Himmel ganz zu vergessen hoffte, und sich vormachte, durch ein neues Leben abbüßen zu wollen. Am liebsten wäre er sogleich unmittelbar von der Stelle, wo er jetzt stand, dem Rettungshafen zugeeilt."
Otto Ludwig: Zwischen Himmel und Erde, S.555

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