08 März 2013

Christiane Vulpius an Goethe

[...] Ich habe müssen einen Laubthaler darauf geben, mit der Kaufsumme wollen sie warten, bis Du zurückkömmst. Mir macht es große Freude, weil es so nahe ist und so hübsch liegt. Mit dem neuen Sänger wollte es am Sonnabend nicht gehen, überhaupt ging meinen Gedanken nach das ganze ›Käppchen‹ nicht gut. Desto besser spielten sie gestern den ›Vetter aus Lissabon‹. Ich und Ernestine machen itzo aus alten Kleidern Chemisen,[geschrieben: Schmüßse] und gestern ist der gelbkattunene besonders gut gerathen, und ich bilde mir ein, daß er mir gut stehe.
Da wurde, stelle Dir vor, vor lauter Freuden um 2 Uhr die Flasche Champagner auf Dein Wohlsein von mir, der Tante und Ernestine verzehrt, und dann ging es mit mir in die Komödie, aber von Äuglichen gab es nichts. Daß Du mir was vom Flachs geschickt hast, freut mich sehr, ich danke Dir auch herzlich dafür; wenn Du l Thaler 12 Groschen gegeben hast, so ist gewiß noch zu profitiren.

[...] 2tens, daß der Schwansee [geschrieben: Swamse] sehr gefroren ist und stark gefahren wird, daß die Gräfin Egloffstein sehr umgeworfen worden ist.  Ich bin gestern auch da gewesen mit dem Kinde von 2 Uhr bis 5 Uhr. Es haben den Kleinen zwei Jäger geführt, und er ist auch im Schlitten gefahren worden und wollte gar nicht wieder nach Hause.  Es waren alle Schätzchen da, und Äuglichen gab es die Menge. Wenn es so bleibt, so habe ich ihm versprechen müssen, daß mir morgen wieder hingehen wollen. Heute gehen mir alle beide in das ›Sonnenfest‹. 
Nun ein Wort von der Freitagesgesellschaft: den ersten Freitag waren sie beinahe alle da, den 2. nur etliche, und gestern gar kein Mensche. Ich hatte alles wie immer besorget, und das schöne Holz verbrennt, und halb 1 Uhr kam der junge Voigt und sagt erst, daß niemand käme. Ich dächte, da Du noch eine Woche drüben bleibst, so sagtest Du es durch den Geheimen Rath Voigt auf, denn es ist nunmehro so Ostern, und es bleibt so lange Tag, man verbrennt das Holz, gibt das Geld aus, und es kommt kein Mensch. Laß mir bis Mittewoch Deine Gesinnung wissen. Hier folgen auch vier Paar [geschrieben: für bar] Bücklinge zu Frühstück mit und Schinken und Vier. Das Bübchen läßt fragen, ob es bald kommen soll. Leb wohl.

106. Christiane [Weimar, 8. (?) März 1797.] Ich habe letzt eine geräucherte Gans erhalten. Die 6 kannst Du brauchen vor diesen Preis; sobald sie ankommen, will ich Dir schreiben. Ich dächte, wegen der Fahrzeit ließ' sich immer noch was von Zungen und Rindfleisch transportiren, besonders wenn Du noch einige solche Spick-Aale kriegen könntest. Daß Du Dich auch wieder nach uns sehnest, freut mich, weil es mir ebenso geht. Mir ist alles gar nicht recht; man sagt sogar, ich habe sehr übeln Humor. Ich sehe nicht ein, wie ich es ein halbes Jahr aushalten soll. Und der Kleine fragt mich den ganzen Tag: »Holen mir denn das Väterchen noch nicht bald ab?« Ich will Dich auch wegen des nüberkommens nicht quälen, und wenn ich es nur 2 Stunden vorher erführ, daß mir Dich holen sollten, so will ich bereit sein. Sollte es Dir aber gemüthlicher sein, einmal, wenn Du fertig bist, allein rüber zu uns zu kommen, so wirst Du Dein Haus immer in der besten Ordnung finden.
Du mußt Dich wegen uns in nichts irre machen lassen. Denn mir waren schon einmal schuld, daß das Gedicht nicht fertig wurde. Und besonders bitte ich Dich, doch nicht ehr herüber zu gehen, bis Dein Katarrh völlig vorbei ist.
Ich freu mich recht, wieder bei Dir zu sein. Man sollte, wenn man zusammen ist, immer fröhlich und lustig sein; ich habe mir es auch fest vorgenommen, wenn ich bei Dir bin, immer froh zu sein. Wenn wegen des Riehl was zu thun ist, bitte ich darum.
Der Hofkammer-Rath thut auch, als wenn er sehr gut gegen ihn wäre. Es ist überhaupt wegen des Diensts bei mir nicht leer geworden, ich soll vor alle ein gut Wort einlegen. Auch ein gewesener Unteroffizier Rommel, den der Herr Geheime Rath sehr gut kennen sollen, hat bei Durchlaucht Herzog darum nachgesucht, und ich soll ihn auch bei Dir empfehlen. Hier folgt auch deßhalb ein Schreiben von dem Maler Walter, es ist der alte, der Eckebrecht war.
Ich komme auch noch mit einer Bitte bei Dir an: es steht mit meiner Seife schlecht, und hier ist sie wieder theuer geworden. Ich dächte, wenn das Gedicht fertig wär, bekäme ich einen halben Stein. Leb wohl. Ich will wünschen, daß, wenn mein Brief ankömmt, der Katarrh vorbei ist. Das Kind läßt Dich vielmals grüßen; wir leben in der Hoffnung, bald bei Dir zu sein.

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