03 August 2012

Die Heiterethei


Es geht um sozialen Druck, darum wie eine Hysterie auch die Widerstandsfähigsten dazu bringt, sich irrational zu verhalten, um Ausgrenzung bis zur Vernichtung einer ökonomischen Existenz, und doch ist es eine ermunternde Geschichte voller Heiterkeit. Geschuldet ist das der Heiterethei, der sympathischsten Figur, die Otto Ludwig je gelungen ist.

"... alle Welt weiß es, wie's mit dem Wetter ist zum Gründer Markt. Und wenn er beginnt so blau und golden, wie es der Farbenkasten des Frühlings nur hergeben will, wie ein Tag vor sechzig Jahren; denn damals war Alles besser, selbst das Wetter; frage nur die Reicker Wirtin, wer's nicht glauben will. Kaum ist's Mittag, da steigt's von allen Seiten auf; da hebt's und drängt's, bis es einen neuen Himmel gewölbt hat unter dem alten. [...]
Der Mond stellte sich auf die Zehen und sah zwischen ihnen hindurch auf die nasse Straße herab. Die hielt ihm tausend Spiegel vor und er sah wohlgefällig, um wie viel schöner und vollwangiger er nun seit gestern wieder geworden war. [...]
Der alte Benediktus – nur Diktes genannt – blieb vor einem Häuschen stehen, nahm das Nachtwächterhorn an die Lippen und blies gerade nach dem Häuschen zu den schönsten Ton, der darin war. Ob ihm das Häuschen so gefiel, daß er beim Tuten und Stundenrufen allemal nach ihm hinsah? Hübsch genug sah es aus, zumal, wenn, wie eben heute, der Mond darauf schien, – am hübschesten aber, wenn der große Holunderbusch, der das Häuschen unter seinem Arm hatte wie einen Hut, oder unter seinem Flügel wie ein Küchlein, zugleich in voller Blüte stand. Und den Grasmücken und Finken ging es bei Tage wie dem alten Diktes bei Nacht. Der alte Holunder hatte keinen geraden Wipfel mehr, so oft hatten die kleinen Tagediebe singend sich darauf geschaukelt. Das schmale Weglein, das vom Schloßberge jäh genug herabkommt, tut auf der kleinen Wiese dabei, als müßt' es vor jedem Büschchen wieder ein Stückchen umkehren. Man sieht, ihm ist's nur darum, nicht zu schnell vorbeizukommen, und kaum zwei Schritte unter dem Häuschen, da wird's gar aus mit ihm vor Vergnügen, da hört's ganz auf. [...]
Ich bin gesund und stark, und sie sollen mich nicht umsonst die Heiterethei heißen in der Stadt. Mag heiraten, wer will, und sich krank sorgen, wer will, ich nicht. Und so ist's, und nu ist's fertig!« [...]" Otto Ludwig: Die Heiterethei

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