14 Juli 2012

Härtetest Wahlkampf: Beispiel Barack Obama

Wie war es in seinem ersten Wahlkampf  für das Amt des Präsidenten?

Obama als Spendensammler: "Nur fünftausend? Nein, mindestens zehntausend, aber das reicht nicht. Es muss wehtun."
Obama als Redner: Der von ihm verehrte Prediger Jeremia Wright, durch dessen Predigten seine Gemeinde von 84 auf 8000 Mitglieder angewachsen war, wollte mit 66 Jahren in den Ruhestand treten. Da tauchten Videos von Predigten von ihm auf, die im Stile der Bürgerechtsbewegung agitatorisch war, und Obama sah seine Präsidentschaftskampagne gefährdet.
Obama hielt seine große Rede über Schwarze und Weiße in Amerika, darüber dass die armen Weißen so viel mit den Schwarzen verbinde und dass der Kampf zwischen den Rassen beendet sei. Man müsse gemeinsam in die Zukunft gehen.
Wright fühlte sich verraten, am Schluss seiner aufopferungsvollen Gemeindearbeit - wie viel hatte er auch an sozialen Leistungen innerhalb der Gemeinde organisiert - von seinem prominentesten Gemeindemitglied an den Pranger gestellt als verblendeter Hetzprediger.

David Remnick schildert das in "Barack Obama. Leben und Aufstieg" sehr eindrücklich, er schildert auch, wie fair sich Obamas Konkurrenten im Wahlkampf, zunächst Hillary Clinton, dann John McCain, ihm gegenüber verhielten (ihre Wahlkampfteams freilich deutlich weniger, dennoch waren es noch recht faire Wahlkämpfe). Er weist auch darauf hin, wie viel Glück Obama in seinem Politikerleben - besonders bei seinem Wahlkampf für den Sitz im Bundessenat - hatte.
Dennoch wurde mir deutlicher als zuvor, was für eine gewaltige Kraftanstrengung sein Aufstieg forderte, wie viele Konflikte er in seiner Familie und mit seinen Freunden auszutragen hatte und wie sehr er während seiner gesamten Politikerkarriere der vermittelnde, scheinbar emotionslos empathisch in jeden seiner Gesprächspartner eindringende ganz auf Konsensbildung und politische Einigung konzentrierte Politiker war. Nicht der "Jetzt geht's los! Yes we can!"-Mann, als der er in seiner Kampagne von außen wirkte.

Er fühlt sich intellektuell haushoch überlegen und gibt den Jovialen, fast kumpelhaften.
Er hasste es, zu betteln und zu drängen, und wird zum erfolgreichsten Spendensamler, der überall Kontakte zu Reichen und Superreichen sucht.

Wenn er heute von Kindergeburtstagen herausgerufen wird, um schnell einen Tötungsbefehl für Killerdrohnen  auszugeben, dann hat er das durch langes Training vorbereitet.
Man kann sich denken, was Schillers Marquis Posa über ihn gesagt hätte. (Zu Philipp II. sagt Posa "Dass Sie können,/ Was Sie zu müssen eingesehen, hat mich/  Mit schaudernder Bewunderung durchdrungen." Don Carlos III,10*)

Und bei all dieser Bereitschaft, Überzeugungen und Rücksichten um des Kompromisses willen hintanzustellen steht er jetzt einer kompromisslosen Teaparty-Bewegung und der Kritik gegenüber, dass er die Reichen nicht rücksichtslos genug bevorzuge, denn nur das könne aus der Wirtschaftskrise befreien.

Man darf auf seinen nächsten Wahlkampf gespannt sein.

Kaum habe ich das geschrieben, erreicht mich die Nachricht, Obama gestehe als seinen Fehler ein, dass er seine Politik nicht gut genug erklärt habe, das wolle er jetzt nachholen. (Link zum Interview)  Das klingt, als hätte er Gaucks Rat an Merkel gehört und im Unterschied zu ihr beherzigt. Sein Herausforderer wird es eher als "Von jetzt ab wird die Regierungsmaschinerie für den Wahlkampf eingesetzt" verstehen. Aber das hat er nicht kritisiert. 
Reportage vom beginnenden Wahlkampf Obamas mit Video.
Beachtenswert sind wohl auch Berichte über die Wahlkampforganisationen, von denen die "Unabhängigen" vornehmlich Negativwerbung machen. Auf 10 Milliarden Dollar schätzt man die Wahlkampfausgaben, die 2012 anfallen werden.

*Anmerkung: nach anderen Ausgaben: "schauernder Bewunderung"

Nachtrag am 10.11.12 nach Obamas Wiederwahl (Zitat aus meinem Beitrag in einem andern Blog):

Wenn Obama nur direkt auf seine Ziele losgesteuert wäre und sich dabei auf einen engen Beraterkreis von Leuten seines Meinungspektrums verlassen hätte, wäre er gewiss gescheitert. So ist es ihm immerhin gelungen, als erster schwarzer Präsident der USA seine Wiederwahl zu erreichen und einen - kleinen - Teil seiner Ziele.
Bush war erfolgreicher im Zerstören, Obama erfolgreicher darin, trotz schwindender harter Macht ("Macht zu") der USA, andere Personen dazu zu bringen, das zu tun, was in seinem Sinne ist. Nicht Bush hat die Demokratisierungsversuche des arabischen Frühlings ausgelöst. [...]
Die Tragik eines wohlmeinenden Präsdenten der USA liegt darin, dass er für - nahezu - unendlich viel Verantwortung übernehmen muss, was er nicht will, wenn er auch nur einen kleinen Teil dessen erreichen will, was seine eigentlichen Ziele sind. [...]
Ich glaube, dass Obama in seiner ersten Amtszeit schwere Schuld auf sich geladen hat, aber dass kein anderer Mensch, von dem wir wissen, von den USA und von unserer Welt so viel Unheil abgehalten hat, wie es ihm schon in seiner ersten Amtszeit gelungen und für die zweite Amtszeit zu hoffen ist. (Dazu vgl. FR vom 9.11.12 und 8.11.12)
(-> zum vollständigen Beitrag)

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