09 Mai 2012

Don Gaspard


Aus einem vertrockneten hagern Angesicht erhob sich zwischen Augen, die halb unter den Augenknochen fortbrannten, eine verachtende Nase mit stolzem Wurf- ein Cherub mit dem Keime des Abfalls, ein verschmähender gebietender Geist stand da, der nichts lieben konnte, nicht sein eignes Herz, kaum ein höheres, einer von jenen Fürchterlichen, die sich über die Menschen, über das Unglück, über die Erde und über das – Gewissen erheben, und denen es gleich gilt, welches Menschenblut sie hingießen, ob fremdes oder ihres. –

Es war Don Gaspard.

Die Funken-werfende Ordenskette aus Stahl und Edelsteinen verriet ihn. Die Starrsucht, seine alte Krankheit, hatt' ihn ergriffen. »O Vater!« sagte Albano erschrocken und umfaßte die unbewegliche Gestalt, aber er drückte gleichsam den kalten Tod ans Herz. Er schmeckte die Bitterkeit einer Hölle – er küßte die starre Lippe und rief lauter – endlich trat er vor ihm mit fallenden Armen zurück, und die aufgedeckte Wunde blutete ungefühlt nieder – und er blickte, zähneknirschend vor wilder junger Liebe und vor Schmerz, und mit großen Eistropfen in den Augen, den Stummen an und riß ihm die Hand vom Herzen. – – Hier schlug erwachend Gaspard die Augen auf und sagte: »Willkommen, mein lieber Sohn!« – Da sank ihm mit unüberschwenglicher Seligkeit und Liebe das Kind ans Vaterherz und weinte und schwieg. »Du blutest, Albano,« sagte Gaspard, ihn sanft zurückstemmend, [38] »verbinde dich!«- »Laß mich bluten, ich will mit dir sterben, wenn du stirbst – o wie hab' ich so lange nach dir geschmachtet, mein guter Vater!« sagte Albano, noch tiefer erschüttert von dem kranken väterlichen Herzen, das er jetzt an seinem heftiger schlagen fühlte.
(Jean Paul: Titan, 4. Zykel, S.37/38)

Keine Kommentare: