16 Mai 2012

Albano über Freiheit und Krieg


Albano an Schoppe
Wie in Rom, im wirklichen Rom, ein Mensch nur genießen und vor dem Feuer der Kunst weich zerschmelzen könne, anstatt sich schamrot aufzumachen und nach Kräften und Taten zu ringen, das begreif' ich nicht. Im gemalten, gedichteten Rom, darin mag die Muße schwelgen; aber im wahren, wo dich die Obelisken, das Coliseo, das Kapitolium, die Triumphbogen unaufhörlich ansehen und tadeln, wo die Geschichte der alten Taten den ganzen Tag wie ein unsichtbarer Sturmwind durch die Stadt fortrauschet und dich drängt und hebt, o wer kann sich unwürdig und zusehend hinlegen vor die herrliche Bewegung der Welt? – Die Geister der Heiligen, der Helden, der Künstler gehen dem lebendigen Menschen nach und fragen zornig: was bist du? [...]
Nimm nur den Krieg höher, wo die Geister, ohne Verhältnis des Gewinstes zum Verlust, nur aus Kraft der Ehre und des Zwecks, sich dem Schicksal verdingen, daß es unter ihren Körpern die Leichen auslese und das Los des Sieges aus den Gräbern ziehe. – Zwei Völker gehen auf die Schlacht-Ebene, die tragische Bühne eines höhern Geistes, um ohne persönlichen Haß die Todesrollen gegeneinander zu spielen – still und schwarz liegt die Gewitterwolke auf dem Schlachtfeld – die Völker ziehen hinein in die Wolke, und alle ihre Donner schlagen, und düster und allein brennt die Todesfackel über ihr – es wird endlich Licht, und zwei Ehrenpforten stehen aufgebauet, die Todespforte und das Siegestor, und das Heer hat sich geteilt und ist durch beide gezogen, aber durch beide mit Kränzen. – Und wenn es vorüber ist, stehen die Toten und die Lebendigen erhaben in der Welt, weil sie das Leben nicht geachtet hatten. – Wenn aber der große Tag noch größer werden, wenn dem Geiste das Köstlichste kommen soll, was das Leben heiligen kann: so stellt Gott einen Epaminondas, einen Kato, einen Gustav Adolph vor das geheiligte Heer – und die Freiheit ist zugleich die Fahne und die Palme – o selig, wer dann lebt oder stirbt für den Kriegs-Gott und für die Friedens-Göttin zugleich. – – [...]
Gespräch mit Gaspard
»Der gallische Rausch« (versetzte Albano heftig) »ist doch wahrlich kein zufälliger, sondern ein Enthusiasmus, in der Menschheit und Zeit zugleich gegründet; woher denn sonst der allgemeine Anteil? – Sie können vielleicht sinken, aber um höher zu fliegen. Durch ein rotes Meer des Bluts und Kriegs watet die Menschheit dem gelobten Lande entgegen, und ihre Wüste ist lang; mit zerschnittenen, nur blutig-klebenden Händen klimmt sie wie die Gemsenjäger empor.« [...]
Albano zu Dian
Er gestand dem geliebtesten Lehrer den großgewachsenen Vorsatz, sobald der unheilige Krieg gegen die gallische Freiheit, der jetzt seine Pechkränze in allen Straßen der Stadt Gottes aushing, in Flammen schlage, an die Seite der Freiheit zu treten und früher zu fallen als sie.
(Jean Paul: Titan, 105. Zykel)

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