17 April 2012

Rom und das Forum Romanum

Aber Gaspard berührte den sonnentrunknen Sohn und sagte zeigend: »Ecco Roma!« – Albano blickte hin und sah in tiefer Ferne die Kuppel der Peterskirche im Sonnenglanz. Die Sonne ging unter, die Erde bebte noch einmal, aber in seinem Geiste war nichts als Rom. [...]

Welch' eine öde, weite Ebene, hoch von Ruinen, Gärten, Tempeln umgeben, mit gestürzten Säulen-Häuptern und mit aufrechten einsamen Säulen und mit Bäumen und einer stummen Wüste bedeckt! Der aufgewühlte Schutt aus dem ausgegossenen Aschenkrug der Zeit – und die Scherben einer großen Welt umhergeworfen! Er ging vor drei Tempel-Säulen[Fußnote: des Jupiter tonans.], die die Erde bis an die Brust hinuntergezogen hatte, vorbei und durch den breiten Triumph-Bogen des Septimius Severus hindurch; rechts standen verbundne Säulen ohne ihren Tempel, links an einer Christen-Kirche die tief in den Bodensatz der Zeit getauchte Säulenreihe eines alten Heidentempels, am Ende der Siegesbogen des Titus und vor ihm in der öden waldigen Mitte ein Springwasser, in ein Granitbecken sich gießend. Er ging dieser Quelle zu, um die Ebene zu überschauen, aus welcher sonst die Donnermonate der Erde aufzogen; aber wie über eine ausgebrannte Sonne ging er darüber, welche finstere tote Erden umhängen. O der Mensch, der Mensch-Traum! riefs unaufhörlich um ihn. Er stand an der Granitschale, gegen das Coliseo gekehrt, dessen Gebürgsrücken hoch in Mondlicht stand, mit den tiefen Klüften, die ihm die Sense der Zeit eingehauen – scharf standen die zerrissenen Bogen von Neros goldnem Hause wie mörderische Hauer darneben. – Der palatinische Berg grünte voll Gärten, und auf zerbrochnen Tempel-Dächern nagte der blühende Totenkranz aus Efeu, und noch glühten lebendige Ranunkeln um eingesenkte Kapitäler. – Die Quelle murmelte geschwätzig und ewig, und die Sterne schaueten fest herunter mit unvergänglichen Strahlen auf die stille Walstatt, worüber der Winter der Zeit gegangen, ohne einen Frühling nachzuführen – die feurige Weltseele war aufgeflogen, und der kalte zerstückte Riese lag umher, auseinandergerissen waren die Riesen-Speichen des Schwungrads, das einmal der Strom der Zeiten selber trieb. – Und noch dazu goß der Mond sein Licht wie ätzendes Silberwasser auf die nackten Säulen und wollte das Coliseo und die Tempel und alles auflösen in ihre eignen Schatten!
(Jean Paul: Titan, 4. Band, 26. Jobelperiode, 102. Zykel)

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