15 April 2012

Albano wird eine Erscheinung Lianes vorgetäuscht

Drinnen kniete mit gen Himmel gehobnen Armen und Augen ein schöner, in der magischen Dunkelheit blühender Göttersohn im eisernen Zauberkreise des finstern Wahnsinns und rief nur noch: »O Frieden, Frieden!« – Da trat die Jungfrau begeistert wie von Gott gesandt hinein; weißgekleidet wie die Verstorbne im Traumtempel und auf der Bahre, mit dem langen Schleier an der Seite, aber höher gestaltet, weniger rosenfarb und mit einem schärfern, hellern Sternenlicht im blauen Äther des Auges und ähnlicher der Liane unter den Seligen und erhaben, als komme sie als ein verengter Frühling von den Sternen wieder, so trat sie vor ihn – sein greifender Flammenblick erschreckte sie – leise und wankend stammelte sie: »Albano, habe Frieden!« – »Liane?« stöhnte seine ganze Brust, und seine weinenden Augen bedeckte er darniedersinkend. »Frieden!« rief sie stärker und mutiger, weil sie nicht mehr sein Auge traf und irrte; und sie entwich, wie ein überirdischer Geist die Menschen wieder verlässet.
(Jean Paul: Titan,  98. Zykel)
Prinzessin Idoine  war nach anfänglichem Widerstreben dazu überredet worden, für Albano Liane zu spielen, um seine Gesundheit zu retten.

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