18 April 2011

Ihr Haar ist goldener noch als der Sonnenstrahl

»Charles«, frog hei, un sine Ogen lücht'ten ordentlich, »hast du die junge Dame gesehn?« – »Ja«, säd ick, un't wir en rank un slank Mäten west. – »Hast du ihr Haar gesehen?« – »Ja«, säd ick, 't wir rod west. – »Rot? – Das nennst du rot? – Ich sage blond! – Ich will auch zugeben: hochblond! Und das ist eine Farbe, die zu allen Zeiten von Dichtern und Malern gepriesen ist. Nicht der Sonnenstrahl vergoldet das Haar, das Haar vergoldet den Sonnenstrahl.« – »Wat Dausend! Wat heit dit?« – »Hast du den Teint der Dame gesehn?« – »Ja«, säd ick, »sovel as dat in'n Vörbigahn un dörch en gräunen Sleuer mäglich wir.« – »Weiß wie Alabaster!« röp hei ut. – »Ja«, säd ick, »äwer sei hadd Sommersprutten.« – De Kapteihn kek mi an, tog mit de Schullern un gung up un dal, äwer nah en beten stellte hei sick vör mi hen: »Charles, willst du mich ärgern?« – »Ne«, säd ick, »doran hadd ick nich dacht.« – »Warum führst du denn gerade den Umstand gegen mich an, der sonst allgemein für den Beweis eines zarten Teints gilt?« – »Gegen em«, frog ick, »wo so? – Ick hadd jo nicks nich gegen em seggt; ick hadd ok nicks wider gegen dat Mäten, as dat sei in't Gesicht so bunt utseg as en Kuhnenei.« – »Solche Vergleiche verbitte ich mir«, säd hei un lep wedder hastig up un dal. – Dit würd ümmer schöner, un nahgradens markt ick, wo dat fuchten was; ick säd also, hei süll dat man sin laten, un't wir jo doch ümmer 'n hübsch Mäten. Dat geföll em, un hei würd mit einmal wedder de oll Kapteihn vull Füer un Fett, wenn't sine Inbillung angahn ded: »Charles«, röp hei, »hast du ihre Augen gesehn?« – »Ja«, säd ick, »sei hadd blag'.« – Dat was em nu äwer nich naug: blag' Ogen hadden vele, sei müßt nu doch noch wat vörut hewwen. – »Blau?« röp bei; »ja blau; aber was für ein Blau? Ein Blau, so warm, daß es ordentlich einen grünlichen Schein annimmt. Der klare, blaue Himmel nicht allein; auch das traute Grün der Erde spiegelt sich in diesem Auge!« – Nu müßt ick äwer lachen, gegen minen Willen lachen, un ick säd, dat hadd ick meindag' noch nicht hürt, dat gräune Ogen schön wiren, un't wir woll von den gräunen Sleuer herkamen, dat hei sei för gräun anseihn hadd. – Nu was äwer dat Kalw ganz un gor in't Og slagen; hei hadd ümmer ungeheuern Respekt vör de Frugenslüd' ehr Ogen, grad es de nimodschen Dichters, de reden ok man ümmer blot von de Ogen, un dat äwrige von den menschlichen Liw', dat bammelt man blot so dorbi. (Fritz Reuter: Ut mine Festungstid, Kapitel 15)
Zu 30 Jahren Festungshaft war er begnadigt worden. Obwohl er nachher nur 7 Jahre davon absitzen musste, blieb es für den mit 23 Jahren Verhafteten ein Trauma, auch noch nachdem er es sich mit einer Heiteren Episode aus der Haftzeit davon freizuschreiben versucht hatte. War doch sein Lebensplan, Jurist, gescheitert.
Erst als er mit Plattdeutsch die Sprache gefunden hat, in der er selbst das Harte humoristisch darstellen kann, gelingt die künstlerische Bewältigung.
Die Not, aus dem Leben gerissen zu sein, den Gedanken, eine Partnerin finden zu können, abschreiben zu müssen, die Sehnsucht nach ein bisschen Glück. Diese Gefühle betrachtet er von außen, als ob sie nicht seine wären, und macht aus dem Mitgefangenen einen lyrischen Troubadour.

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