08 März 2011

Müller: Der Fuchs war damals schon der Jäger

Als wir in dem Dorf ankamen, war kein Mensch auf der Straße. In allen Fenstern standen Weihnachtsbäume. Ihre Äste waren so dicht an die Scheiben gedrückt, daß man die einzelnen Nadeln sah, als wären sie für die Gehenden draußen und nicht für die Leute im Haus. [...] Meine Mutter merkte das nicht. Ich trug die Bäume allein von einem Fenster zum anderen. [...]
Der Jäger legte den Fuchs auf den Tisch und strich ihm das Haar glatt. Er sagte, auf Füchse schießt man icht, Füchse gehen in die Falle. Sein Haar und sein Bart und seine Haare auf den Händen waren rot wie der Fuchs. Auch seine Wangen. Der Fuchs war damals schon der Jäger.
Herta Müller sucht die Sprache, die zum Geschehen passt. Die Securitate ist mir fremd. Kein Wunder, dass die aussparende Sprache mir vieles nicht sagt, was ich zum Verständnis brauchte.
Es ist keine "gesuchte" Sprache im gängigen Sinne, keine Sprache, wie man sie in Literatur, die modern sein will, findet. Sie ist gesucht und gefunden. Nur nicht für mich.

Rezensionen:
Protokoll eines Seelenterrors (bei litde.com)
readers edition
Noch etwas zur Sprache. In der ZEIT-Beilage zum 3.3.2011 wird ihr Text aus der Ausgabe vom 3.1.1986 wieder zitiert, den sie schrieb, als sie aus Rumänien nicht zu einer Jurysitzung nach Bremen fahren durfte. Darin heißt es u.a.:
Wer zwischen Menschen geht, der hat den Eigensinn, als wär der Tag in ihm. Der hat sich Tag um Tag und neben Jahren her ein Leben.
Mein Knöchel hält sich an der Straße fest. So ist unter der Sohle noch ein Schuh. [...]
Und wenn ich reden könnte, flüstern, sagen, schrein. Und wenn ich rufen könnte, winken, schweigen, schaun. Was würde sich, wenn ich mich tragen könnte, unterm Knöchel ändern und nicht noch einmal derselbe Schuh für meinen Körper sein.
So sucht sie, mit ihrer Sprache sich zu tragen wie das Kind die Weihnachtsbäume.

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