01 September 2010

Didos Fluch

Dass die Aeneis als Nationalepos geplant war, kann man nicht nur der Ausgestaltung des Gründungsmythos entnehmen, sondern auch der nachträglichen Rechtfertigung der Vernichtung Karthagos; denn aufgrund dieses Fluchs habe die Erbfeindschaft zu Karthago schon vor der Gründung Roms bestanden und sei als nimmerendend angelegt.
Zusätzlich wird der karthagische Herrschaftsanspruch als Ausdruck enttäuschter Liebe erklärt und der römische dagegen als Auftrag des Göttervaters Jupiter verstanden.


Sol, der du jegliches Thun wahrnimmst im strahlenden Umlauf,
Du auch, Mittlerin dieses Vereins, mitkundige Juno,
Hekate du, der heulen die Städt' auf nächtlichem Dreiweg,
Und ihr, rächende Diren, und Götter der sterbenden Dido:
Dieses vernehmt und übet Gewalt, wie verdienet die Bosheit,
Und, o hört dies unser Gebet! Wenn kommen zum Hafen
Muß das verworfene Haupt, und ans Land zu schwimmen sein Los ist,
Und so Juppiters Rat es verlangt, dies Ziel unverrückt steht:
Doch mit Streit und Waffen vom mutigen Volke geängstigt,
Über die Grenz' auswandernd, getrennt vom teuren Iulus,
Müss' er um Hilf' anflehen, und schaun unwürdige Tode
Seiner Freund'; auch wann er Bedingungen lästigen Friedens
Eingeht, weder des Reichs, noch erfreulichen Lichtes genieß' er,
Sondern er fall' unzeitig, und lieg' unbestattet im Sande!
So mein Gebet; dies seufz' ich, wann Stimm' und Blut mir entschwindet!
Dann, o Tyrier, hegt dem Geschlecht und dem spätesten Abstamm,
Hegt ihm ewigen Haß, und bringt dies Opfer der Sühnung
Unserer Gruft! Nicht Liebe sei je, noch Bündnis den Völkern!
Mög aus meinem Gebein sich einst ein Rächer erheben,
Welcher mit Brand sie verfolget und Stahl, die dardanischen Pflanzer,
Jetzt und dereinst und zu jeglicher Zeit, wenn die Macht es gestattet!
Möge sich Strand mit Strand, so fleh' ich, und Woge mit Woge,
Heer sich befehden mit Heer: sie selbst und die spätesten Enkel!

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