11 September 2010

Das Ende des Kampfes zwischen Aeneas und Turnus

Turnus, am Boden, demütigen Blickes, streckte die Rechte
bittend nach vorn: »Ich verdiene mein Los, erflehe nicht Gnade.
Nutze dein Glück! Und vermag dich das Schicksal meines geprüften
Vaters zu rühren, bitte – du hattest ja selber solch einen
Vater, Anchises –: Erbarm dich des alten Daunus, den Meinen
gib mich zurück jetzt oder, sofern du das vorziehst, den toten
Körper. Du siegtest, mich sehen die Völker Italiens die Hände
heben als völlig Geschlagenen. Dein ist Lavinia. Treibe
aber den Haß nicht zu weit!«

Aeneas stand mit gezücktem
Schwerte, erbittert, mit rollenden Augen. Noch hemmte er seine
Rechte, er schwankte. Schon wollten die Worte zur Milde ihn stimmen.
Aber da glänzte zum Unglück, hoch auf des Geschlagenen Schulter,
prächtig das Wehrgehenk mit den goldenen Buckeln, der Schwertgurt
früher des jungen Pallas, den Turnus besiegt und erschlagen
hatte. Jetzt trug er das herrliche Schmuckstück sich selbst zum Verderben.
Starrte Aeneas doch wie gebannt auf die Beute, ein Mahnmal
wütenden Schmerzes. Dann rief er mit schrecklicher Stimme, von wilder
Rachgier entflammt: »Du willst mir entschlüpfen – und trägst noch die Beute,
die du den Meinen entrissest? Pallas erschlägt dich jetzt, Pallas
sühnt jetzt mit deinem Blut die Verbrechen, die du begingest!«
Damit stieß er, glühend vor Zorn, in die Brust ihm die Klinge.
Unter der Kälte des Todes erschlafften die Glieder des Turnus,
unwillig stöhnend entwich sein Geist hinab zu den Schatten.

Vergil: Werke in einem Band. Berlin 1987, Übersetzung von Wilhelm Hertzberg, S. 477

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