16 September 2008

August Winnig: Arbeiter und Reich

Die Erzählung Arbeiter und Reich des ehemaligen SPD-Reichstagsabgeordneten und völkischen Schriftstellers August Winnig (1937 im Teubner Verlag veröffentlicht) zeigt den Weg des proletarischen Helden Gotthold Grimm zu den Nationalsozialisten. Sie ist gegliedert in die Abschnitte Auf falscher Bahn und Die große Prüfung.

Zu den Helden der Erzählung, die in einer Kleinstadt im Mittelgebirge spielt, gehören der Rittmeister von Wehren, der als erster der Honoratioren der Stadt die Gefahr der Sozialdemokratie erkennt, der Küfer Gotthold Grimm, der den ersten erfolgreichen Streik der Steinbrucharbeiter organisiert, aber von der organisierten Sozialdemokratie abgestoßen wird, und als sein Gegenspieler der erfolgreiche sozialdemokratische Funktionär Jäger. Daneben werden als intelligente, aber für die Sache, für die sie eintreten, immer schädliche Figuren Juden genannt: der Industrielle, der praktische Maßnahmen zum Kampf gegen die Sozialdemokratie vorschlägt, die aber erfolglos bleiben; der Parteiredner, der aufhetzt, ohne sinnvolle Ziele zu zeigen; der Zeitungsredakteur, der nur scharfe Kritik üben, aber den Gefahren für die Partei nicht steuern kann.

Gotthold Grimm wird als der einsam für das Wohl der Arbeiter kämpfende Idealist dargestellt, Jäger dagegen als der Funktionär, der sich bald mit Fabrikherren und Honoratioren gut zu stellen weiß, aber um der Karriere willen stets die sozialdemokratischen Parolen vor sich her zu tragen weiß. Die Erkenntnisse, die Winnig seinem Helden eingibt, sind die Notwendigkeit des Imperialismus, weil Deutschland übervölkert sei und kein Raum mehr für den Bevölkerungszuwachs sei, die Notwendigkeit, den Krieg möglichst früh vom Zaun zu brechen, um diesen Lebensraum zu erwerben, schließlich die Notwendigkeit der Fortführung des Krieges und die Entlarvung des Sozialdemokraten, der die Novemberrevolution unterstützt.

Als Kernaussage der Erzählung kann man Gotthold Grimms Ausspruch werten: „Der Arbeiter ist in schlechter Hand, Juden regieren sein Denken, und Bonzen führen seine Dinge.“ (Die große Prüfung, S.57)

Gotthold Grimm ist leicht als sprechender Name zu erkennen. Gotthold steht für seine geistige Prägung durch den Pfarrer Hommel (vielleicht eine Anspielung auf den Hofprediger Emil Wilhelm Frommel, 1828-1896), Grimm für seinen energischen Einsatz für die Arbeiter und für sein Leiden an der Sozialdemokratie.

Die Erzählung, die wegen ihrer klischeehaften Charakterzeichnung und ihrer nur ungenügend durch Erzählelemente aufgelockerten Argumentation an sich literarisch wertlos ist, verdient Interesse, weil sie August Winnigs eigenen Weg vom Sozialdemokraten zum völkischen Schriftsteller und damit den Wechsel sozialdemokratischer Wähler zur NSDAP psychologisch nachvollziehbar macht.

In Winnigs Fall war die Abkehr von der Sozialdemokratie freilich von außen erzwungen, weil seine zwielichtige Haltung als ostpreußischer Oberpräsident im Kapp-Putsch zu seinem Ausschluss aus Partei und Gewerkschaft geführt hatte.

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