13 April 2008

Anna Seghers - keine Autorin des sozialistischen Realismus

Anna Seghers kennt man als Autorin von „Das siebte Kreuz“ und in der Tat hat sie nichts Vergleichbares besser geschrieben. Aber Thomas Mann hat sich auf dem Feld der Buddenbrooks auch nicht übertroffen. Dennoch wäre es fragwürdig, wenn er nur auf diesem Felde weitergearbeitet hätte. "Der Zauberberg" und "Joseph und seine Brüder" wären nie entstanden.

Was für neue Bereiche Anna Seghers sich erschlossen hat, zeigte eine Lesung von Monika Melchert in der alten Synagoge in Bensheim-Auerbach, in der sie ihre Blütenlese aus Seghers unter dem Titel „Mit Kafka im Café“ vorstellte. Die Erzählung "Reisebegegnung", auf die sich dieser Titel bezieht, zeigt Seghers in einem neuen Licht, das über ihren halb autobiographischen Text „Der Ausflug der toten Mädchen“, über „Das wirkliche Blau“, die Romane „Die Gefährten“ und „Transit“ hinausweist.
Es lohnt sich, mal wieder Seghers zu lesen.

Jetzt habe ich Die Hochzeit von Haiti gelesen und mich über die beiden anderen Karibischen Geschichten Wiedereinführung der Sklaverei in Guadeloupe. und Das Licht auf dem Galgen informiert. Gut erzählt, aber sie bleiben mir nicht im Gedächtnis, ich werde nicht warm mit Seghers Erzählungen. 
Die historische Figur Toussaint Louverture hat freilich meine volle Sympathie. 
Ein Schwarzer, der als erster nach der Siedlerkolonie der USA  die Unabhängigkeit seines Landes von Kolonialherrschaft in Amerika erreicht und und schon zuvor die Abschaffung der Sklaverei, der verdient eine Erzählung,  die seine Leistung zum Gegenstand hat. Der nüchterne Text der Seghers enttäuscht vielleicht meinen Wunsch auf stärkere Herausstellung seiner Leistung.
Seinen eigenen Charme hat es, dass in dieser Erzählung, in der der erste Sklavenbefreier Amerikas gewürdigt wird, ständig von Negern und auch von dem Negerstaat die Rede ist. Dadurch wird besonders fühlbar, wie unerhört damals die Leistung war, einen Staat zu gründen, der seine Unabhängigkeit ehemaligen Sklaven verdankte.

Keine Kommentare: